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TBV Lemgo: Die Reise ins Ungewisse

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Jens BechtloffFoto: Eibner-Pressefoto
16.06.2013 - 13:46 Uhr

In einer Zeit, in der viele Handballvereine zum Sparen gezwungen sind, muss der TBV Lemgo einen Radikalkurs fahren. Die logische Folge: Der Nachwuchs muss es richten. 

Eine turbulente Saison liegt hinter dem TBV Lemgo. Nach nur zwei Siegen in den ersten elf Spielen fand sich der Deutsche Meister von 2003 auf dem 16. Tabellenplatz wieder - einem Abstiegsplatz. Als wäre das nicht schon genug, erlebte der Verein Turbulenzen in der Führungsetage. Geschäftsführer Fynn Holpert wurde von seinen Aufgaben entbunden, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Betrugsverdacht (Verfahren mittlerweile eingestellt). Gegen Manager Volker Zerbe, in Lemgo eine echte Identifikationsfigur, stellte der Verein zudem Strafanzeige wegen Bereicherung. Finanzielle Probleme rundeten das Drama von Lemgo ab. “Wir standen 2012 zweimal kurz vor der Insolvenz”, gibt der aktuelle Geschäftsführer Christian Sprdlik (34) zu. Die Spieler blieben von den Ereignissen nicht unberührt. “Es ist nicht einfach, den Kopf auszublenden, wenn man nicht weiß, wie es um den Verein steht”, sagt Jens Bechtloff (27) rückblickend. 

Die letzten Monate kehrte im nordrhein-westfälischen Landesteil Lippe endlich Ruhe ein. Mit sechs Siegen startete man in die Rückrunde, nur vier Niederlagen hat es seitdem gegeben. Sogar stärker besetzte Mannschaften wie die SG Flensburg-Handewitt wurden besiegt. Der Traditionsverein beendete die Saison auf Platz 9. „Man kann der Mannschaft nur ein Kompliment machen, wie wir uns rausgekämpft haben“, so Bechtloff. „Ein Grund für die Serie war sicher, dass wir seit Dezember fast komplett waren und nicht mehr so viele Verletzte zu verzeichnen hatten“, fügt Torwart Carsten Lichtlein (32) hinzu. Also wieder heile Welt in Lemgo? Nicht ganz. Der Verein ist zu radikalen Sparmaßnahmen gezwungen. 

Qualität geht verloren 

Der Betreuer Eddy Franke wird durch Christian Sprdlik (Geschäftsführer TBV...Zoom
Der Betreuer Eddy Franke wird durch Christian Sprdlik (Geschäftsführer TBV Lemgo) verabschiedetFoto: Eibner-Pressefoto

Die Lizenz für die neue Saison erhielt Lemgo mit Berichtspflicht. Das bedeutet: Alle drei Monate müssen die Zahlen offengelegt werden. „Das sind Routinechecks, die ganz in unserem Sinne und keineswegs ein Nachteil sind“, beruhigt Sprdlik. “Nach den turbulenten Zeiten haben wir ohnehin damit gerechnet.” Sicher ist: Der Saisonetat von derzeit rund 4,2 Millionen Euro muss stark reduziert werden. Besonders die Sponsoreneinnahmen dürften zukünftig geringer ausfallen. Die Auswirkungen sind dem Kader der kommenden Saison anzusehen. Mit den Abgängen von Carsten Lichtlein (Gummersbach), Martin Strobel (27, Balingen-Weilstetten), Sebastian Preiß (32, Erlangen) und Gunnar Dietrich (27, Friesenheim) geht viel Qualität verloren. “Einige Spieler passen leider nicht mehr in das Gehaltsgefüge. Genauso wie jedes Wirtschaftsunternehmen müssen wir die Ausgaben an unsere Einnahmen anpassen”, erklärt Sprdlik. 

Das Nachwuchskonzept

Benjamin Herth wechselt zur neuen Saison nach LemgoZoom
Benjamin Herth wechselt zur neuen Saison nach LemgoFoto: Eibner-Pressefoto

Die Neuzugänge der kommenden Saison werden Torwart Thomas Bauer (27, Neuhausen) und die Rückraumspieler Benjamin Herth (27, Balingen-Weilstetten) sowie Rickard Lönn (23, Redbergslids IK) sein. Außerdem stoßen mit Marcel Niemeyer (19) und Julian Possehl (20) zwei aus dem eigenen Nachwuchs hinzu. „Damit ist unsere Personalplanung abgeschlossen“, sagt Sprdlik. Überhaupt soll es das Konzept des TBV Lemgo sein, zukünftig auf die Jugend zu setzen. Ob das aus Idealismus oder Geldnot geschieht, ist zweitrangig. “Wir haben acht, neun Jugend- und Juniorennationalspieler. Wir haben vier Spieler in die Bundesliga hochgebracht. Genau das ist der Weg des TBV Lemgo”, führt der Geschäftsführer fort. Auch der neue Trainer passt in dieses Konzept. Niels Pfannenschmidt (38) wird der Nachfolger von Dirk Beuchler (42) sein, der nach Lübbecke geht. Pfannenschmidt trainiert die Lemgo Youngsters und kennt daher die Nachwuchsspieler gut, die sich nun in der Bundesliga etablieren sollen. 

Die Menschen im Lemgo scheinen das Konzept anzunehmen. Gab es in der Hinrunde einen kleinen Einbruch der Zuschauerzahlen, so war die Lipperlandhalle im Jahr 2013 meist wieder gut gefüllt. Ob die Fans dort in der kommenden Saison erfolgreichen Handball sehen werden, steht in den Sternen. “Wir wollen uns konsolidieren, eine solide Basis schaffen und darauf aufbauen”, sagt Sprdlik. Jens Bechtloff drückt es einfacher aus: „Es wird eine Reise ins Ungewisse.“ 

Autor: Oliver Jensen
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