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Patrick Wiencek: Neuer Lebensabschnitt für Bam Bam

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Patrick WiencekFoto: VfL Gummersbach / Photo Ising
10.06.2012 - 20:11 Uhr

Das letzte Saisonspiel hätte an keinem passenderen Ort stattfinden können. Patrick Wiencek reiste mit dem VfL Gummersbach zum THW Kiel, seinem baldigen Arbeitgeber. Der 2-Meter-Hüne schien höchstmotiviert zu sein. Er wollte seinem zukünftigen Trainer Alfred Gislason gleich zeigen, was er an ihm haben wird. Leider erwischte der Kreisläufer (wie die ganze Mannschaft) einen rabenschwarzen Tag. Die 29:39 Niederlage schien ihn besonders zu ärgern. Vielleicht weil er spüren musste, dass beim Rekordmeister auf einem ganz anderen Niveau gespielt wird. Wird er sich in dieser Ausnahmemannschaft wirklich etablieren können? 

“Ob ich spiele oder nicht, wird man sehen. Es herrscht ein großer Konkurrenzkampf. Dem möchte ich mich stellen und alles dafür geben”, äußert sich der 23-Jährige zurückhaltend. Trotzdem ist er überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: “Allzu lange musste ich darüber nicht nachdenken. Man kriegt nicht oft im Leben ein Angebot vom THW Kiel.” Bereits Anfang 2011 bahnte sich ein Wechsel in den Norden an. Patrick Wiencek soll dem damaligen THW-Manager Uli Derad bereits per Handschlag zugesagt haben. Leider ohne seinen Verein zu informieren. Schnell trat Unruhe in Gummersbach auf. VfL-Geschäftsführer Axel Geerken hatte kein Verständnis für das Verhalten des Spielers und des THW Kiel. Wiencek wurde vorübergehend suspendiert, der Wechsel platzte. 

“Das ist längst verjährt”, winkt der Athlet ab. “Ich habe einen Fehler gemacht, der Verein auch. Wir haben damit gelebt. Ich wollte einfach nur Handball spielen. Der Rest war mir egal.” Wiencek spielte eine weitere starke Saison in Gummersbach, ließ den Vertrag nun auslaufen und unterschrieb beim THW. Hier soll er langfristig die Nachfolge von Marcus Ahlm antreten. 

Mehrere Spitznamen, außergewöhnliche Kräfte 

Patrick Wiencek hat viele Spitznamen. Er wird aufgrund seiner besonderen Kräfte “Bam Bam” (in Anlehnung an die Zeichentrickserie Familie Feuerstein) “Koloss von Rhodos” oder “Turm in der Schlacht” genannt. Mit einem Körpergewicht von mehr als 110 Kilogramm verbreitet er Respekt. Zumal er nicht zimperlich agiert. “In der Abwehr haue ich schon mal gerne kräftig rauf”, gibt er zu. 

Er hat kein Problem damit, auch selber einstecken zu müssen. “Mein Körper ist voll mit blauen Flecken. Ich habe mich daran gewöhnt und achte schon gar nicht mehr darauf”, sagt Wiencek. Härte und Tempo - genau diese Aspekte schätzt er am Handball. Oliver Roggisch ist seit der Jugend sein großes Vorbild. “Ich fand es schon immer beeindruckend, wie er in der Abwehr stand und die Leute motiviert hat.” 

Ein Spätstarter 

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Patrick WiencekFoto: VfL Gummersbach / Photo Ising

Dass Patrick Wiencek zum Handball kam, hat er seiner Familie zu verdanken. “Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich einem Sportverein beitrete. Mein Onkel war damals Handballtrainer und hat mich aufgenommen”, erinnert er sich. Träume von einer Profikarriere hatte er längst noch nicht. Sein Talent blieb lange unerkannt. Die Trainer der DHB-Juniorenauswahl nahmen keine Notiz von ihm. 

Vielleicht wäre er nie zu einem Topspieler herangereift, wäre TUSEM Essen nicht 2008 in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aufgrund der Insolvenz waren teure Profis nicht mehr zu finanzieren. Junge und vor allem günstige Nachwuchsspieler mussten den Kader füllen. Patrick Wiencek, der zuvor für die Jugend vom MSV Duisburg, der HSG Düsseldorf und dem Bergischen HC, gespielt hatte, kam gerade recht und spielte überraschend stark. Sogar der DHB wurde nun auf ihn aufmerksam und nahm ihn mit zur Junioren Weltmeisterschaft 2009 in Ägypten. Spricht man ihn darauf an, leuchten noch heute seine Augen: “Es war der schönste Moment in meinem Leben, als wir den Titel geholt haben.” 

Von der 2. Liga in die Nationalmannschaft 

Aufgrund der Insolvenz musste TUSEM Essen 2009/2010 in die zweite Liga. Ein Karriereknick war das für Patrick Wiencek nicht. Im Gegenteil: Am 1. Dezember 2009 gab er als Zweitligaspieler sein Nationalmannschaftsdebüt gegen Weißrussland. Noch heute erinnert er sich gerne an den Moment zurück, als er von seiner Nominierung erfuhr. Ein Freund rief ihn an und erzählte ihm davon. “Ich wusste gar nicht, wovon er überhaupt spricht”, erzählt Wiencek. Er schaute im Internet nach und entdeckte in seinem E-Mail Postfach die Einladung des DHB. Sein Körper zitterte, er war sprachlos. Es dauerte Stunden, bis er das realisieren konnte. “Es war ein tolles Erlebnis, daraufhin mit den ganzen Leuten, die ich vom Fernsehen kannte, plötzlich in einer Mannschaft zu spielen.” 

Seine Leistungen im Verein und der Nationalmannschaft blieben konstant. Im Jahre 2011, als er bereits in Gummersbach spielte, wurde er zum Rookie des Jahres ernannt. Im Kreise der DHB-Auswahl etablierte er sich ebenfalls. Sogar bei der Europameisterschaft in Serbien war er mit dabei. Großturniere haben für ihn einen ganz besonderen Reiz. “Das wir letztendlich sportlich nichts erreicht haben, ist natürlich traurig”, so Wiencek. Zukünftig soll es besser laufen: “Jeder Sportler würde gerne einmal Olympiasieger werden. Das wäre auch für mich ein Traum.” An Zielen mangelt es ihm nicht. 

Autor: Oliver Jensen
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