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Junioren-Nationaltorwart Konstantin Poltrum wechselt von Hüttenberg nach Konstanz

14.04.2015 - 13:02 Uhr

Nach der Verpflichtung des 20-jährigen Schweizer U21-Nationalspielers Tim Jud für die Spielmacherposition  ist den Verantwortlichen der HSG Konstanz auf der Suche nach einem Ersatz für Torhüter Maximilian Folchert, den es wieder zurück in Richtung Norden zieht, ein echter Transfercoup gelungen. Konstantin Poltrum, 21-jähriger deutscher Junioren-Nationaltorwart der DHB-Auswahl, kommt vom Zweitligisten TV Hüttenberg an den Bodensee und wird künftig das Tor der besten Defensive der 3. Liga Süd mit derzeit lediglich 643 Gegentoren in 26 Partien, mithin 24,7 pro Spiel, hüten – Topwert der Liga, sogar im Vergleich mit Spitzenreiter SG Leutershausen.

Dass eines der deutschen Toptalente auf der Torhüterposition bei der HSG Konstanz einen Dreijahresvertrag bis Sommer 2018 unterzeichnet hat, macht HSG-Präsident Otto Eblen besonders glücklich: „Zwei der deutschen Junioren-Nationaltorhüter spielen in der kommenden Saison bei Lemgo beziehungsweise dem Bergischen HC wahrscheinlich in der 1. Bundesliga – und einer bei der HSG Konstanz. Dass sich mit Tim Jud nach einem Schweizer U21-Nationalspieler nun mit Konstantin Poltrum auch noch ein deutscher Junioren-Nationalspieler des Teams von Weltmeister Markus Baur der HSG anschließt, ist nicht selbstverständlich. Es zeigt die gute Arbeit unseres Trainerteams und welchen Ruf wir uns mittlerweile erarbeitet haben. In Deutschland wird man nicht umsonst Junioren-Nationaltorwart. Dazu bedarf es jeder Menge Ehrgeiz, Einsatz und Talent. Konstantin bringt alles davon mit.“

Torhüter – ganz „spezielle Typen“ mit besonderen Fähigkeiten

Verrückt sind sie alle irgendwie, die Handball-Torhüter. Das gesteht auch Konstantin Poltrum mit einem Lächeln. „Spezielle Typen sind es schon“, muss er zugeben – und sie ist sicher nicht jedermanns Sache, diese Position, wie er ergänzt. „Vernünftige Leute lassen sich nicht abwerfen und freuen sich noch darüber“, – auch das muss er zugeben. Mit durchschnittlich 100 bis zu 130 km/h rasen die mit einem Umfang von knapp 60 Zentimeter 425 bis 475 Gramm schweren Handbälle auf die Torhüter zu. Ein Wurf mit 100 km/h aus neun Metern Entfernung landet damit in nur 0,32 Sekunden im Tor. Weltklassetorhüter können dem eine unglaubliche Reaktionszeit von 0,18 bis 0,2 Sekunden entgegensetzen. Im Leistungsbereich liegt sie mit 0,2 bis 0,23 Sekunden ebenfalls in beeindruckenden Sphären. Zum Vergleich: die mittlere Reaktionszeit beim Notbremsen im Straßenverkehr liegt bei 0,45 Sekunden.

Rechnet man die für die Parade eines platzierten Wurfs in die Ecke bei normaler Grundstellung auf der Grundlinie mit Armen auf Kopfhöhe erforderliche Zeit für die nötige Bewegung um einen Meter nach links bzw. rechts dazu, die, abhängig von der Bewegungsschnelligkeit des Torwarts, 0,1 bis 0,14 Sekunden für hohe Würfe und 0,13 bis 0,18 Sekunden für tiefe Würfe beträgt, ergibt sich daraus ein Zeitfenster von 0,3 bis 0,4 Sekunden. Diese geringe Aktionszeit des Torwarts verdeutlicht aber auch, dass zum Beispiel präzise geworfene Bälle mit mehr als 105 km/h aus neun Metern Entfernung, die nach nur 0,31 Sekunden im Tor einschlagen, nur durch eine schnelle Reaktion nicht einmal von den besten Torhütern der Welt erreicht werden können.

Mit Fallenspiel zum Erfolg

Handballtorhüter beschränken sich bei der Abwehr von Bällen daher nicht nur auf eine wahlbedingte Abwehrreaktion, sondern verbessern ihre Chancen durch eine Kombination aus Situationsantizipation, Erfahrungen, Stellungsspiel und Wurfwahrscheinlichkeiten in Verbindung mit Wurfbildern – zum Beispiel durch Winkelverkürzung durch Heraustreten, lernen der Wurfbilder und atypische Abwehrbewegungen. Konstantin Poltrum betont zudem die Abhängigkeit von einer guten Abwehr und die Zwitterstellung des Torwarts: „Er ist der letzte Mann. Da ist er teilweise ein Einzelkämpfer und teilweise der größte Teamplayer. Er braucht aber die Deckung, sonst ist er nichts. Er erfährt somit große Hilfe, aber nicht in der Form wie im Feld.“ Hochinteressant wird es, wenn er vom Torhüterspiel spricht, die nach den genannten Zahlen eindeutig in der schlechteren Position zu sein scheinen. Doch genau das versucht der zukünftige Konstanzer zu ändern. Mit einer Falle. Einem Spielchen, das er stets für sich entscheiden möchte. Es gelte, den Schützen dazu zu bringen, den Ball dorthin zu werfen, „wo ich ihn hinhaben möchte.“ Und diese Falle soll dann gnadenlos zuschnappen. „Dieses Fallenspiel ist es, was mich an meiner Position so fasziniert“, so Konstantin Poltrum.

Genau hier sieht Andre Melchert, Sportlicher Leiter der HSG Konstanz, der sich ebenfalls stolz darüber zeigt, dass sich mit Konstantin Poltrum schon der zweite U21-Nationalspieler für die HSG Konstanz entschieden hat, die Stärken des deutschen Junioren-Nationaltorwarts: „Unter anderem durch seine extrem schnellen Reaktionen ist Konstantin in Eins-gegen-Eins-Situationen sehr gut. Er ist sehr ehrgeizig und passt auch menschlich hervorragend in unser Team.“ Möchte man die Einschätzungen von Otto Eblen und Andre Melchert mit Zahlen untermauern, so kommt man nicht umhin, an die U19-Weltmeiterschaft 2013 in Ungarn zu erinnern. 18:21 lag das DHB-Team im kleinen Finale nach 45 Minuten gegen Spanien zurück. Und dann kam Konstantin Poltrum, sah in 15 Minuten neun Würfe auf sich zukommen, parierte davon sieben, bekam laustarke „Konsti, Konsti“-Sprechchöre der stehenden Zuschauer und siegte schließlich nach einem 18:22-Rückstand im Spiel um Platz drei mit 29:23. Mit einer sensationellen Quote von 78 Prozent gehaltenen Bällen – der besten Quote des ganzen Turniers – ebnete Konstantin Poltrum der damals von Christian Schwarzer und Heiko Karrer trainierten deutschen Auswahl den Weg zur Bronzemedaille. Das auch schon zusammen mit den inzwischen für die A-Nationalmannschaft spielenden Fabian Wiede und Paul Drux aufgelaufene Torhüter-Talent hatte damit nicht nur die beste Einzel-Quote der ganzen Weltmeisterschaft aufzuweisen, sondern auch die beste Quote aller Torhüter über das ganze Turnier gesehen. Seine 45 Prozent waren auch hier der absolute Topwert.

Die Nationalmannschaft – Ehre, Ansporn und Belohnung zugleich

„Ein ganz besonderes Erlebnis“, meint das 1,95 Meter große und 86 Kilogramm schwere Ausnahme-Talent daher auch. „Es ist immer eine Ehre für mich, im Nationalteam auflaufen zu dürfen. Jede Berufung ist immer Ansporn und eine schöne Belohnung für den großen Aufwand zugleich.“ Die Liste der Erfolge des Soldaten der Sportfördergruppe der Bundeswehr ist trotz seines jungen Alters schon beachtlich: Hessenmeister mit der Bezirksauswahl des Handballbezirks Gießen im Hessischen Handball-Verband, deutscher Vizemeister 2011 mit der B-Jugend sowie Südwestdeutscher Meister im gleichen Jahr mit der A-Jugend des ehemaligen Erstligisten TV Hüttenberg und viele Einsätze in der A-Jugend-Bundesliga, auch schon als B-Jugendlicher. Dann als A-Jugendlicher bereits zusätzlich in der Herren-Oberliga und schließlich viele Spiele in der 2. Bundesliga. Nach der Berufung in die hessische Auswahl im Jahr 2009 folgten ab 2012 insgesamt 27 Spiele für die deutsche Jugend-Nationalmannschaft mit dem Gewinn der WM-Bronzemedaille sowie neun Länderspiele für die Junioren-Nationalmannschaft Deutschlands. Vor dem letzten DHB-All-Star-Game im Februar vor 7.622 Zuschauern in Nürnberg lief er eine Halbzeit lang für die deutsche B-Nationalmannschaft auf.

Das nächste große Ziel ist die U21-WM im Sommer in Brasilien mit der Junioren-Auswahl von Markus Baur, der zusätzlich in unmittelbarer Nähe zu Konstanz die Kadetten Schaffhausen in der Schweizer Eliteklasse trainiert. „Darauf werde ich hinarbeiten und alles dafür tun, dass ich dort wieder mit dabei bin“, so der gebürtige Friedberger (Hessen). Profitiert hat er in seiner rasanten Entwicklung auch von der zusätzlichen Förderung durch die Spitzensport-Förderung der Sportfördergruppe Warendorf der Bundeswehr, die ein Training unter Profi-Bedingungen ermöglicht und durch weitere Lehrgänge zusätzlich zu denen des DHB ergänzt wird, wo unter anderem Welthandballer Henning Fritz immer wieder für Torwart-Training sorgt.

Kurioser Beginn auf dem Weg zur „Torwart-Perfektion“

Dabei hat diese junge Erfolgsgeschichte des ambitionierten Schlussmanns wie so oft etwas kurios begonnen. „Mein älterer Bruder hat Handball gespielt, also musste ich es mit acht Jahren auch“, meint Konstantin Poltrum schmunzelnd, „ich habe dann ein Jahr im Feld gespielt, bis irgendwann ein Torwart gefehlt hat.“ Der Handball-Klassiker. Der Linkshänder sprang ein – und überzeugte offenbar nachhaltig. Da hatte es wohl geholfen, dass sein Bruder immer werfen wollte und er somit zum Gang ins Tor verdonnert war. Insofern auch verständlich, dass sein mit einem Augenzwinkern erklärtes Angebot an seine Mannschaftskollegen schon lange nicht mehr angenommen wird: „Ich biete mich als Linkshänder immer wieder für das Feld an – ohne Erfolg.“ Gelernt hat der ehrgeizige Sportsoldat, der in Konstanz nach seiner Bundeswehrzeit an der mit der HSG durch eine Kooperation zur Förderung des Spitzensports verbundenen Exzellenzuniversität Mathematik und Biologie auf Lehramt studieren wird, von den ganz Großen des Handballs. Neben Henning Fritz auch von Christian Schwarzer, Markus Baur, Heiko Karrer, Klaus-Dieter Petersen und der deutschen Torwartlegende Andreas Thiel, dem mit 256 Einsätzen im DHB-Team auch „Hexer“ genannten Rekord-Nationaltorhüter.

Von einem riesigen Erfahrungsschatz habe er sehr profitiert, meint er. „Torwarttraining zeichnet sich vor allem durch Kontinuität aus. Man möchte sich langsam der Perfektion annähern. Das braucht viel Zeit.“ Viel Zeit, die er bereit ist für seine Leidenschaft und seine Ziele zu investieren. Das bedeutet tägliches Training, siebenmal pro Woche. Alleine dadurch sei Handball schon mehr als nur Hobby, es ist für Konstantin Poltrum ein großes Stück seines Lebens – und die Spiele sind die Highlights des Wochenendes, auf die er sich gut vorbereitet. „Ich befasse mich daher auch mehr damit als nur ab fünf Minuten vor Trainingsbeginn. Ich muss noch etwas ruhiger werden, manchmal bin ich noch zu hibbelig“, gibt er selbstkritisch zu. „Dafür bin ich sehr reaktionsschnell.“ Und emotional. Auf dem Feld, wenn er erfolgreiche Aktionen lautstark bejubelt und positive Emotionen herauslässt, aber auch im Privaten, wenn hier auch mehr nach innen. Ruhig, bodenständig, weiß was wichtig ist – so charakterisiert ihn Otto Eblen. Aber ja, ein emotionaler Mensch sei er durch und durch, sagt Konstantin Poltrum über sich selbst und so emotional klingt dann auch sein erster Eindruck von Konstanz: „Es scheint die Sonne, eine wunderschöne Stadt, der tolle Bodensee – ich bin positiv überrascht und freue mich auf die Zeit hier. Ich habe viel Positives über die HSG gehört und bin sehr angetan vom Umfeld sowie der Außendarstellung.“ Sicher auch von Paul Kaletsch, den er noch aus Hüttenberger Jugendzeiten kennt. Die negativen Emotionen gelte es hingegen schon im Entstehen im Keim zu ersticken. Im Spiel dürfe man sich damit nicht befassen, Gegentore gelte es so schnell es geht abzuhaken.

Gitarre spielen und heimwerken

Sein breites Interessenspektrum, das sich längt nicht nur auf Handball reduziert, wird nicht nur in der Wahl seiner Fächerkombination deutlich, wo er sich nicht nur auf „naturwissenschaftliche, soziale und psychologische Aspekte“ freut, sondern auch dann, wenn er zur Gitarre greift – oder zu Hammer und Säge, wenn er seine Möbel allesamt selbst baut. Außerdem begeistert er sich für historische Romane, die auf wahren Begebenheiten beruhen und „auch ein bisschen bilden.“

Junge Leute, die hochklassigen Handball mit einer qualifizierten Ausbildung kombinieren wollen, seien genau das, was die HSG suche, stellt Otto Eblen klar. „Wir werden alles dafür tun, dass er sich bei uns gut entwickeln kann und vielleicht irgendwann den Sprung nach ganz oben schafft – das ist dann sicher kein schlechtes Zeichen für beide Seiten.“ So sieht das auch der Junioren-Nationalkeeper, der die Konstanzer Mannschaft, die kontinuierliche Arbeit der HSG und das Konzept lobt: „Man sieht und spürt, dass bei der HSG Konstanz jungen Spielern vertraut wird. Hier möchte ich mich sowohl im sportlichen als auch persönlichen Bereich weiterentwickeln, also viel spielen und studieren.“

Im positivsten Sinne handballverrückt. Stimmt voll und ganz, sagt Konstantin Poltrum, wenn er gefragt wird, ob dieses Attribut auf ihn zutrifft. „Ich habe unglaublichen Spaß an diesem Sport und auch meine Ziele – aber dass ich unbedingt in die 1. Bundesliga möchte, haben die Zeitungen über mich geschrieben, ich selbst habe das nie gesagt.“

Mit Talent, Spaß, Ehrgeiz und mentaler Stärke zum „Erfolgs-Rausch“

Was ein guter Torhüter braucht, spricht er dagegen schon aus. Talent, Spaß an der Sache und Ehrgeiz natürlich – die Grundvoraussetzungen für jeden erfolgreichen Sportler. Ansonsten gibt es viele verschiedene Torhütertypen, die mit unterschiedlichen Erfolgsrezepten operieren. Die, die vor allem über das Stellungspiel ihr Ziel erreichen und jene, wie er selbst, die vor allem über ihre hervorragenden Reaktionen zum Erfolg kommen. „Ich bin eher ungeduldig und bewege mich lieber mehr.“ Ob sein Plan aufgeht, sei wie bei allen Torhütern vor allem Kopfsache, die mentale Stärke. Diese immer zu zeigen, ist die große Herausforderung. Was hilft, ist „das Vertrauen. Das ist enorm wichtig für die eigene Leistung. Über die Spielpraxis kommt man zu einer gewissen Routine.“ Und wenn der Plan aufgeht, „dann ist das wie ein Rausch.“ Viel denkt er nach Paraden nicht, vielmehr gelte es, sich gleich wieder zu fokussieren. 60 Minuten höchste Konzentration also. Schwerstarbeit für den Kopf. Umso größer ist daher die Vorfreude auf die beste Defensive der 3. Liga Süd: „Das macht die Sache für einen Torhüter viel einfacher. Für mich ist es auch ein wichtiger Aspekt, dass das Abwehrspiel bei der HSG einen so großen Stellenwert besitzt.“ Das Ziel liegt daher für so einen ehrgeizigen Schlussmann auf der Hand: Auch in der kommenden Spielzeit soll die HSG Konstanz wieder die wenigsten Treffer der Liga kassieren und die beste Abwehr der Liga stellen. Dann soll sie auch in Konstanz möglichst oft zuschnappen, die Falle von Konstantin Poltrum, soll der vermeintliche Nachteil im Duell mit wurfgewaltigen Schützen zum Vorteil werden. Dann, wenn diese spezielle Art von Mensch triumphierend die Hände zu Fäusten ballt, Richtung tobendem Publikum reckt und sich über einen Körpertreffer eines über 100 km/h schnellen Balls aus kürzester Distanz freut. Spielchen, die viele Menschen faszinieren – aber nur wenige, „unvernünftige“ hautnah auf dem Spielfeld.

Quelle: HSG Konstanz
Autor: Handball.de
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