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Interview mit HBF-Vorsitzender Berndt Dugall über Titelkampf, Lizenzierung und Entwicklung

12.05.2016 - 15:49 Uhr

Die Handball-Bundesliga der Frauen steuert ihrem Höhepunkt entgegen. In der Meisterschaft kommt es am letzten Spieltag zu einem echten Finale, eine Woche später folgt in Leipzig das Final4 im DHB-Pokal. Im Interview äußert sich der Ligavorsitzende Berndt Dugall zur aktuellen Lage in der Liga, spricht über die Lizenzierung, erläutert die Vergabe der internationalen Plätze und bezieht auch Stellung zur Entwicklung des Frauenhandballs allgemein.

Herr Dugall, am vergangenen Wochenende waren noch vier Teams im Meisterschaftsrennen, nun blickt die Liga gebannt auf das Endspiel Thüringer HC gegen HC Leipzig. Die spannendste Saison aller Zeiten?
Berndt Dugall: Na ja, mit Superlativen sollten wir etwas vorsichtig sein. Nichtsdestotrotz ist die Spannung groß, zumal sich zwei Mannschaften gegenüberstehen, die sich ja seit Jahren als direkte Konkurrenten um die Vorherrschaft im deutschen Frauenhandball sehen. Interessanter Begleiteffekt des lange völlig offenen Meisterschaftsrennens dürfte auch sein, dass wir am Ende wohl drei Mannschaften haben werden, die punktgleich auf den Plätzen 2 bis 4 stehen.

Diese Konstellation ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass der dritte Platz von entscheidender Bedeutung sein dürfte?
Berndt Dugall: Wenn Metzingen nicht noch überraschend einen Punkt abgeben sollte, ist die wesentlich bessere Tordifferenz im Vergleich zu Bietigheim nicht mehr aufzuholen. Und Metzingen hat durchaus noch Chancen auf Platz 2, nämlich dann, wenn Leipzig am Samstag in Bad Langensalza verlieren sollte. Bei einer möglichen Niederlage des THC sähe es etwas anders aus, da Metzingen das bessere Torverhältnis des THC wohl nicht mehr wettmachen könnte. Der dritte Platz hat in der Tat entscheidende Bedeutung für die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb. Der Zweit- und Drittplatzierte haben definitiv ein Startrecht im EHF Cup, der Vierte hingegen nur, wenn sich im Pokal keine andere Konstellation ergibt. Konkret bedeutet dies: Sollte der Deutsche Meister auch Pokalsieger werden dann wird der Zweite des Pokals den dritten EHF-Platz bekommen. Gleiches würde gelten, wenn Blomberg bzw. Dortmund, das übrigens den eventuell Ligavierten Bietigheim aus dem Pokalwettbewerb geworfen hat, das Final4 gewinnen würden.

Kann ein zusätzlicher Startplatz bei der EHF beantragt werden?
Berndt Dugall: Ja, ein solcher Antrag kann gestellt werden, wenn alle vier eigentlich zugedachten Plätze auch tatsächlich in Anspruch genommen werden. Ob einem solchen Antrag für einen fünften Starter dann aber auch seitens der EHF entsprochen würde, kann ich nicht einschätzen.

Wie beurteilen Sie die internationalen Auftritte der Bundesligisten in diesem Jahr?
Berndt Dugall: Ehrlich gesagt durchwachsen. Vor Metzingen kann man nur den Hut ziehen und es ist schade, dass sie den EHF Cup nicht gewonnen haben. Aber alle anderen Mannschaften sind meines Erachtens unter den Erwartungen geblieben. Es gab Jahre, in denen wir uns als Gesamtheit in den internationalen Wettbewerben schon besser präsentiert haben.

In den vergangenen Wochen gab es einige überraschende Ergebnisse, wie auch bei den Herren scheint die Bundesliga einige der wenigen auch sportlich ausgeglichenen Ligen, in denen Überraschungen wie der Sieg des Drittletzten aus Göppingen gegen den Spitzenreiter Thüringer HC möglich sind.
Berndt Dugall: Ausreißer gibt es immer. Natürlich war das Ergebnis Göppingen THC eine Überraschung, aber das Spiel Rosengarten gegen Oldenburg fällt doch in die gleiche Kategorie. Es wäre auch schlimm, wenn im Sport alles planbar wäre, dann müssten wir ja gar nicht mehr spielen. Wir dürfen uns aber bei dem Begriff Ausgeglichenheit nicht von einzelnen Ergebnissen blenden lassen. Tatsache ist, dass der Meister am Ende 42 oder 43 Punkte haben wird, der Tabellenletzte 8. Das ist doch schon eine gewaltige Differenz.

Auch im Pokal gab es einige Überraschungen, mit Dortmund und Blomberg schafften zwei Clubs aus dem Mittelfeld den Sprung zum Final4 und dürfen auf den internationalen Wettbewerb hoffen. Am Ende der Saison wartet in Leipzig damit ein weiterer Höhepunkt. Was erwarten Sie?
Berndt Dugall: Zunächst einmal wird ja das erste Halbfinale eine Wiederholung des „Endspiels“ der Meisterschaft sein. Hier dürfte es wohl zu einem sehr spannenden Duell kommen. Aber auch bei der zweiten Halbfinalbegegnung Dortmund gegen Blomberg wäre es vermessen, einen Sieger vorhersagen zu wollen. Durch den augenblicklichen Hype des vermeintlichen Endspiels in der Meisterschaft gerät das Final4 etwas in den Hintergrund. Das wird sich aber spätestens am kommenden Sonntag ändern.

Der MDR wird das über die Meisterschaft entscheidende Duell sowie den DHB-Pokal übertragen, wie wichtig ist diese Fernsehpräsenz?
Berndt Dugall: Für eine Sportart wie unsere, die im öffentlich rechtlichen Fernsehen so gut wie nicht zu sehen ist, bedeutet es enorm viel, wenn einmal mehr als eine Kurzzusammenfassung gezeigt wird. Der MDR ist bisher der einzige Sender, bei dem auch Frauenhandball einen gewissen Stellenwert besitzt. Im südwestdeutschen Raum haben wir mit Metzingen und Bietigheim auch zwei Spitzenteams, aber dort passiert gar nichts. Wir haben uns – das gebe ich offen zu – in Anbetracht der bestehenden Situation sehr schwer getan, das Spiel THC gegen Leipzig vorzuverlegen, aber nachdem klar war, dass kein Dritter mehr in den Meisterschaftskampf eingreifen konnte, ist es der Sachlage angemessen. Ähnliches gilt auch für den Standort Leipzig hinsichtlich der Pokalendrunde. Hier engagiert sich der MDR ebenso, und diese Situation hätten wir woanders nicht. Zumal der MDR auch an vielen Orten außerhalb des eigentlichen Sendegebietes empfangen werden kann und somit nicht nur ein Regionalsender ist.

Der Blick zurück auf die Saison zeigt: Auch die Zuschauerentwicklung ist positiv...
Berndt Dugall: Unser Schnitt von 1.000 pro Spiel ist zufriedenstellend. Wenn man aber sieht, dass Leipzig einen Durchschnittswert von fast 2.300 erreicht – das ist schon fast das Niveau der Herren Bundesliga – so gibt es noch viel Luft nach oben. Unser Problem ist aber in erster Linie nicht das fehlende Interesse, sondern es sind die Hallenverhältnisse vor Ort. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Blomberg, Bad Wildungen oder Bad Langensalza deutlich mehr Zuschauer hätten, wenn die Hallen eine größere Kapazität aufweisen würden. Ich bin deshalb froh, dass wir mit Neckarsulm einen Aufsteiger haben, der auch eine angemessene Hallensituation in die Bundesliga mitbringt. Solange wir uns an einigen Standorten immer noch mit klassischen Schulsporthallen auseinandersetzen müssen, sind der Weiterentwicklung enge Grenzen gesetzt.

Neben Neckarsulm steht auch Nellingen bereits als Aufsteiger fest. Gibt es auch von der Lizenzseite bereits Grünes Licht?
Berndt Dugall: Gerade gestern ist bezogen auf Nellingen die letzte noch fehlende Unterlage eingegangen. Formal ist also alles in Ordnung. Redebedarf gibt es aber sowohl bei Nellingen als auch bei Celle noch bezüglich der Hallensituation.

Wie stellt sich die Situation bei den Aufsteigern in die 2. Bundesliga dar?
Berndt Dugall: Nachdem auch die letzte Relegation zu Ende gespielt wurde, sind die vier Aufsteiger mit Ketsch, Kleenheim, Lintfort und Badenstedt sozusagen beisammen. Aber auch hier haben wir wieder das Problem, dass sportliche Leistung und vorhandene Infrastruktur nicht immer zusammenpassen. Auch hier müssen wir uns teilweise wieder mit Hallen begnügen, die für eine Weiterentwicklung kaum geeignet sind.

Im Vorfeld gab es eine Informationsveranstaltung für interessierte Drittligisten, wie wurde diese angenommen?
Berndt Dugall: Sehr gut. Ein Teilnehmer bewertete die Zusammenkunft sogar mit den Worten "informativer und ausführlicher als bei der HBL". Hier hat sich aber auch gezeigt, dass Anforderungen und Erwartungshaltung nicht leicht zusammenzubringen sind. Aber für uns ist es immer noch besser, wenn potentielle Aufstiegskandidaten rechtzeitig erkennen, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein, als wenn es in der laufenden Runde zu Turbulenzen kommt.

Von Turbulenzen in der Saison blieb die Liga auch in dieser Spielzeit verschont. Trotz individuellen Umständen geschuldeter Rückzüge zum Saisonende, die Lizenzvergabe verlief in diesem Jahr generell ruhig - ein Zeichen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung in der Liga?
Berndt Dugall: Die Lizenzvergabe orientiert sich an den von den Mitgliedern selbst festgelegten Richtlinien. Wir wissen alle, dass wir damit versuchen, eine stabile Basis für die kommende Runde zu fixieren. Eine Garantie für reibungsloses Funktionieren ist dies nicht. Eine direkte Beziehung zwischen Lizenzerteilung und wirtschaftlichen Gegebenheiten ist damit auch nicht unbedingt gegeben. Zu den Rückzügen ist zu sagen, dass lediglich Berlin und Weibern dies aus wirtschaftlichen Gründen getan haben. Es ist aber besser, jemand erkennt rechtzeitig, dass der eingeschlagene Weg nicht weiterführt und spielt seine Saison ordentlich zu Ende, als dass es mittendrin zum Zusammenbruch kommt.

Sie sprachen die Weiterentwicklung an: Wie groß sind die Hoffnungen auf einen weiteren Aufwärtstrend durch die Weltmeisterschaft im eigenen Land im nächsten Jahr?
Berndt Dugall: Es wäre super gewesen, wenn wir uns ebenso wie die Männer für die Olympischen Spiele qualifiziert hätten. Damit wäre eine optimale mediale Vorbereitung auf die WM 2017 gegeben gewesen. Nun, wir wissen alle, dies hat nicht funktioniert. Mit der Nationalmannschaft haben wir durch Austausch fast des gesamten verantwortlichen Personals einen Neuaufbau begonnen und müssen jetzt sehen, dass wir erfolgreich sind. Aufmerksamkeit erzielt nur, wer Aufmerksamkeit auch erzeugen kann. Deshalb müssen wir alles dransetzen, schon bei der kommenden EM gut abzuschneiden, um damit den Grundstein für das Jahr 2017 zu legen.

Die Liga unterstützt das Nationalteam, schafft beispielsweise über den internationalen Kalender hinaus zahlreiche Lehrgangstage - es macht den Eindruck, Verband und Liga ziehen an einem Strang?
Berndt Dugall: Dies trifft in vollem Umfang zu. Nationaltrainer Biegler hat es geschafft, durch Besuche bei allen für die Nationalmannschaft wichtigen Vereinen seine Kompetenz unter Beweis zu stellen und ein klares Konzept aufgezeigt, wie es gelingen kann, die Mannschaft weiter nach vorne zu bringen. Es ist allen Beteiligten bewusst, dass die Arbeit auf das eine Ziel hin, WM 2017, die Bündelung aller Kräfte erfordert und eigene Ansprüche auch einmal hintenangestellt werden müssen.

Sie sind auch Vizepräsident des DHB. Es scheint, dass der Verband nach der Wahl von Andreas Michelmann in ruhigeres Fahrwasser gekommen ist.
Berndt Dugall: Das sieht nicht nur so aus, das ist auch so. Wir verfolgen die 2013 gesetzten Ziele mit Ausdauer, aber auch Augenmaß weiter. Mancher Erfolg konnte schon früher als erwartet gefeiert werden - wie der EM-Titel der Männer. Der DHB hat sich aber ein größeres Umgestaltungsprogramm verordnet, das 2017 auf dem kommenden Bundestag beraten und verabschiedet werden soll. Ob dies dann im weitgehenden Konsens geschehen wird oder, ob aktuell zugeschüttete Gräben dann doch wieder aufbrechen, muss sich noch zeigen. Vielleicht hilft ja dabei auch die Einsicht, dass man sich eine an Niveaulosigkeit kaum noch überbietbare Auseinandersetzung, wie sie 2015 geführt wurde, zwei Monate vor einer WM im eigenen Land nun wirklich verkneifen sollte.

Sie wurden kürzlich zudem zum Organisationsleiter der Frauen-WM berufen. Wie sehen Sie den allgemeinen Stand der Vorbereitungen für die WM im Dezember 2017?
Berndt Dugall: Die Durchführung einer WM ist ein sehr komplexes Unterfangen. Ich bin ja erst relativ kurze Zeit im Amt. Es gibt noch viele Baustellen, aber wir kommen auch Woche für Woche weiter vorwärts. Wir sind zurzeit dabei, die Infrastrukturbedingungen an den einzelnen Standorten gemeinsam mit der IHF festzulegen. Dieser Prozess wird sich noch bis Oktober hinziehen, aber für den Standort Bietigheim z.B. ist er schon so gut wie abgeschlossen. Wir werden als nächstes versuchen, den Vertrag mit der IHF baldmöglichst zum Abschluss zu bringen und für jeden Standort eine lokale Organisationsstruktur aufzubauen. Welche Probleme es dabei im Detail zu bewältigen gibt, sei an einem einfachen Beispiel erläutert. Wir haben uns entschieden, die Auslosung im nächsten Sommer im Hamburger Rathaus durchzuführen. Der ideale Termin wäre Ende Juni 2017. Da aber in Hamburg kurz darauf der G20-Gipfel stattfinden wird, sind wir dazu gezwungen eine terminliche Alternative zu suchen.

Vor der WM steht allerdings noch eine weitere Saison in der Frauenbundesliga bevor - erwarten Sie für die Saison 2016/17 erneut ein so spannendes Titelrennen? Legen Sie sich auf einen Favoriten fest?
Berndt Dugall: Ich kann mir eine nochmalige Saison, bei der wenige Spieltage vor Schluss noch vier Mannschaften Chancen auf die Meisterschaft haben, ehrlich gesagt nicht vorstellen. Ansonsten ist das mit Prognosen so eine Sache: Einen klaren Favoriten will und kann ich nicht benennen. Ich erwarte Bietigheim und Dortmund noch etwas stärker als in dieser Saison. Laut vorläufigem Spielplan heißt eine der Paarungen des letzten Spieltags 2017 THC gegen Bietigheim. Ob dies dann das „Endspiel“ wird, oder die Meisterschaft bis dahin schon entschieden ist, wird sich zeigen.



Quelle: hbf-info.de
Autor: Handball.de
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