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Interview mit Frank Bohmann (Geschäftsführer der HBL): "EM-Scheitern wird sich auf die Bundesliga auswirken"

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Frank BohmannFoto: DKB Handball-Bundesliga
18.06.2013 - 13:16 Uhr

Als Geschäftsführer ist Frank Bohmann für die Handball-Bundesliga verantwortlich. Im ersten Teil unseres Exklusiv-Interviews spricht er mit Handball.de Mitarbeiter Oliver Jensen über die Gründe und die Folgen des EM-Scheiterns der deutschen Nationalmannschaft. 

Handball.de: Herr Bohmann, die deutsche Nationalmannschat hat die Qualifikation für die Europameisterschaft verpasst. Befürchten Sie Auswirkungen auf die Bundesliga?
Bohmann: “Mit Sicherheit ja. Die Nationalmannschaft ist eine der wesentlichen Treiber des deutschen Handballs. Bei allem Respekt darf es nicht unser Anspruch sein, an Montenegro und Tschechien zu scheitern. Wir müssen uns auf Dauer mit Dänemark, Spanien und Frankreich messen. Die Nichtteilnahme an der EM ist sportlich, unternehmerisch und medial ein herber Rückschlag. Andererseits haben wir im Jahr darauf auch schon wieder eine WM. Der Rhythmus ist einerseits unbarmherzig, auf der anderen Seite ermöglicht er eine rasche Nachbesserung. Ein Abgesang auf den Handball, wie es momentan einige Experten zelebrieren, ist völliger Unfug.“ 

Handball.de: Inwiefern könnte die Bundesliga unter dem Misserfolg der Nationalmannschaft leiden? Befürchten Sie einen Zuschauerrückgang? 
Bohmann: „Die deutsche Nationalmannschaft ist immer die erste Visitenkarte des deutschen Handballs. Deren Leistungen werden nicht nur von der engen Handballzielgruppe, sondern von der viel größeren Gruppe der allgemein Sportinteressierten verfolgt. Viele aufwändige Aktivitäten und Bemühungen, Teile der allgemein Sportinteressierten für den Handball zu begeistern, werden durch das Ausscheiden unseres Teams nicht gerade befeuert. Die enttäuschenden Leistungen werden zudem eine Gesamtauswirkung auf den Handball und auch auf die Bundesliga haben. Ich vermute allerdings nicht eine unmittelbare Auswirkung auf die Zuschauerzahlen oder auf die Wirtschaftlichkeit der gesamten Liga. Unser Job und der, der Clubmanager wird aber mit Sicherheit schwieriger.“ 

Handball.de: In Deutschland wird heiß darüber diskutiert, wie die Nationalmannschaft wieder auf die Erfolgsspur findet. Viele Spieler beklagen eine Überlastung aufgrund der vielen Spiele. Kann die Liga etwas dagegen tun oder sind Ihnen die Hände gebunden? 
Bohmann: „Wir können gerne über die Überlastung der Spitzenspieler sprechen, hier bin ich mit den Spielern einer Meinung. Diese als Rechtfertigung für schwache Leistungen zu nehmen, ist verkehrt. Auch die Spitzenhandballer der anderen Nationen, wie etwa Filip Jicha, haben hohe Belastungen. Zudem, und dies wird ja auch als Rechtfertigung vorgetragen, bekommen die deutschen Spieler nicht genügend Einsatzzeit und wären somit auch nicht so stark belastet. Die Bundesliga trägt auch kaum zur Mehrbelastung der Spieler bei. Seitdem es die Liga gibt sind es mehr oder weniger pro Saison die gleiche Anzahl von Spielen. Die Mehrbelastung ist insbesondere durch die Ausdehnung des internationalen Kalenders entstanden.“ 

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Frank BohmannFoto: DKB Handball-Bundesliga

Handball.de: Mangelnde Spielpraxis auf der einen Seite und Überbelastung auf der anderen Seite sind also nicht das Problem. Wo liegen die Probleme dann? 
Bohmann: „Die Ursachen sind doch ganz offenbar sehr vielschichtiger. Hierzu haben Liga, Verbände, Berater und Task Forces viel analysiert und auf Papier gebracht. Aus meiner Sicht sind jetzt nicht große Worte, sondern Umsetzungs- und Entscheidungsqualität gefragt. Die Qualität der Umsetzung und der vorgezeigten Wege wird in den nächsten Jahren maßgeblich darüber entscheiden, ob wir wieder in der Weltspitze mitspielen. Hier bedarf es eines sehr viel intensiveren Dialoges und Abstimmung zwischen DHB, Landesverbänden, Clubs und HBL. Ich setze hier sehr viel Hoffnung in die neuen DHB Strukturen und die neuen Köpfe, die hoffentlich die nötige Umsetzungsqualität mitbringen.“ 

Handball.de: Lassen Sie uns über konkrete Lösungen sprechen. Wäre es vielleicht eine Option, die Liga um zwei Vereine zu verkleinern? Dadurch wäre die Belastung reduziert. 
Bohmann: “Wenn das zur Lösung beiträgt, kann man darüber reden. Allerdings müssen auch die Bedürfnisse der Clubs, die es schwer genug haben, den Spielbetrieb in der stärksten Liga der Welt zu finanzieren, berücksichtigt werden. Nur noch 16 Clubs bedeuten zwei Heimspiele weniger und weniger Sponsorleistungen. Trotzdem werden wir uns in diesem Punkt hinterfragen.“ 

Handball.de: Ein häufiger Vorwurf gegenüber der Bundesliga ist, dass der deutsche Nachwuchs aufgrund der hinzugekauften Spieler aus dem Ausland zu kurz kommt. 
Bohmann: “Wir haben die stärkste Liga der Welt. Der Anteil von deutschen Spielern weit über dem Vorjahre, weit über dem im Basketball und auch weit vor dem in der Fußball-Bundesliga. Das Bewusstsein in den Clubs ist schon seit vielen Jahren erwachsen. Das Kernproblem ist doch offenbar nicht die Quote an deutschen Spielern, sondern die Anzahl von deutschen Spielern mit internationaler Klasse auf den Rückraumpositionen.“ 

Handball.de: Wäre eine deutsche Quote eine Lösung? 
Bohmann: „Ob eine Quote mehr deutsche Rückraumspieler in die Bundesliga führt, weiß ich nicht. Eine Quote würde, bei allen rechtlichen Fragestellungen, vermutlich dazu führen, dass die deutschen Topspieler bei wenigen Topvereinen spielen würden und dort sich erstmal gegen die internationalen Mitspieler durchsetzen müssten. Ich lasse mich in diesem Punkt aber auch gerne belehren. Die Kritiker können ja mal mit einem konkret ausgearbeiteten Vorschlag auf die HBL zukommen. Im Übrigen bin ich bei Spielern wie Djordjic, Dissinger, Fäth, Christophersen, Kneule für die Zukunft sehr optimistisch.“ 

Handball.de: Liegt das Problem vielleicht darin, dass die Bundesligisten den deutschen Nachwuchs nicht ausreichend fördern? 
Bohmann: „Die Förderung des Spitzensportes in der Jugend ist seit der Einführung des HBL Jugendzertifikates 2007 mit Sicherheit so gut wie nie zuvor. Nach meiner Einschätzung sind wir hier auch besser unterwegs als fast alle anderen Handballnationen. Die sich anschließende Herausforderung der Anschlussförderung ist nicht nur im Handball gegenwärtig. Alle Sportarten, mit Ausnahme des Fußballs, haben dasselbe Problem. Es ist schwierig, junge Leistungssportler nach der Schule mit allen Konsequenzen in den Profisport zu bringen. Im Handball ist aufgrund der hohen physischen Anforderungen das Problem möglicherweise noch etwas größer. Hier müssen Lösungen geschaffen werden, den Sportlern Berufsausbildung und Profisport nebeneinander zu ermöglichen. Regional funktioniert diese duale Karriere immer wieder, überregional sind übergreifende und systematische Strategien notwendig. Hier können wir noch besser werden. Ausschlaggebend für die Leistungen in der EM – Qualifikation ist dieser Aspekt aber nicht.“ 

Handball.de: Was kann der deutsche Handball vom deutschen Fußball lernen? 
Bohmann: “Was der Fußball um die Jahrtausendwende im großen Maßstab gemacht hat, haben wir vor fünf Jahren mit dem Jugendzertifikat und der Verpflichtung zur professionellen Jugendarbeit bei unseren Clubs eingeläutet. Es wird wahrscheinlich noch fünf weitere Jahre brauchen, bis wir im Erwachsenenbereich die Früchte ernten. Deutschland hat so viel bessere Voraussetzungen, als viele Länder, die bei der EM dabei sind. Wir müssen eigentlich nur konsequent unsere Arbeit machen.“

 

ZUM ZWEITEN TEIL DES INTERVIEWS

Autor: Oliver Jensen
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