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Interview mit Christoph Theuerkauf nach der WM: "Kaufmann, Glandorf und Gensheimer fehlten manchmal"

Christoph TheuerkaufZoom
Christoph TheuerkaufFoto: Eibner-Pressefoto
25.01.2013 - 16:57 Uhr

Nationalspieler Christoph Theuerkauf (28) lässt exklusiv auf Handball.de das Turnier Revue passieren und spricht über die Niederlage gegen Spanien, fehlende Erfahrung und die zukünftigen Titelambitionen. 

Handball.de: Herr Theuerkauf, welches Gefühl überwiegt momentan? Der Stolz auf ein tolles Turnier oder noch immer die Enttäuschung über die knappe Niederlage gegen Spanien? 
Theuerkauf: “Es ist von beidem etwas vorhanden. Natürlich sind wir stolz darauf, was wir erreicht haben. Vor dem Turnier war damit nicht zu rechnen. Einmal wegen den Ausfällen, aber auch wegen den schlechten Quali-Spielen gegen Montenegro und Israel. Der Druck der Presse und der Öffentlichkeit war groß. Nun haben wir den deutschen Handball wieder populärer gemacht.” 

Handball.de: Aber…? 
Theuerkauf: “Die Trauer ist schon groß. Mittwoch spielten wir noch in Spanien, am Donnerstag saß man wieder zu Hause und muss das Turnier aus der Ferne verfolgen. Ein 5. Platz ist gut, aber wir haben letztendlich nichts in der Hand. Weil wir uns von Spiel zu Spiel weiterentwickelt haben, erhofften wir uns etwas mehr. Aber letztendlich war Spanien in der zweiten Halbzeit die bessere Mannschaft und hat uns verdient geschlagen.” 

Handball.de: Dabei hat Deutschland gegen Spanien mehrfach geführt. Was hat letztendlich zum Sieg gefehlt? 
Theuerkauf: “Die Cleverness und Abgezocktheit. Spanien hatte vor allem zwei Spieler, die uns kaputt gemacht haben.” 

Handball.de: Alberto Entrerrios und Julen Aguinagalde… 
Theuerkauf: “Genau. Aguinagalde wurde Dritter bei der Wahl zum Welthandballer, spielt seit Jahren bei Ciudad Real bzw. Atletico Madrid auf höchstem Niveau. Er hat nicht nur viele Länderspiele gemacht, sondern auch auf nationaler Ebene und in der Champions League bereits unzählige Drucksituationen erlebt. Und Entrerrios ist mit seinen 36 Jahren ohnehin ein sehr erfahrener Spieler.” 

Handball.de: Und das fehlte der deutschen Mannschaft? 
Theuerkauf: “Die Breite unseres Kaders war über das gesamte Turnier ein Plus. Die Zusammenstellung war super, wir haben uns alle füreinander zerrissen. Aber in den entscheidenden Phasen fehlte vielleicht die Erfahrung eines Kaufmanns, Glandorfs oder Gensheimers. Ein einfaches Tor, das diese Spieler hätten werfen können, wäre manchmal hilfreich gewesen. Wir hatten jedoch ein junges Team mit vielen Debütanten und haben trotzdem einen guten Job gemacht.” 

Handball.de: Christian Schwarzer hat gegenüber Handball.de gesagt, dass es großen Spaß bereitet, beim Gastgeber anzutreten und das gesamte Publikum gegen sich zu haben. Können Sie das bestätigen? 
Theuerkauf: “Wir haben versucht, das mit einer gewissen Lockerheit anzugehen. Trotz der Brisanz des Spiels hatten wir immer ein Lächeln auf den Lippen und haben das genossen. Trotzdem hat die Atmosphäre den Spaniern in manchen Phasen etwas Rückenwind verliehen. Der Druck auf den Schiedsrichter war natürlich auch groß.” 

Handball.de: Glauben Sie, dass die Schiedsrichter sich davon beeindrucken ließen? Speziell bei den Zeitstrafen schien Deutschland nicht unbedingt übervorteilt zu werden. 
Theuerkauf: “An den Schiedsrichtern möchte ich das nicht festmachen. Es gibt natürlich immer sehr schwierige Entscheidungen, bei denen es sowohl ein Stürmerfoul wie auch ein Foul vom Verteidiger sein könnte. Dass ein Schiedsrichter vor über 11.000 frenetischen Zuschauern dann eventuell für die Heimmannschaft entscheidet, mag so sein. Aber wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Wenn wir cleverer spielen, gibt es solche kniffligen Entscheidungen gar nicht erst.” 

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Christoph TheuerkaufFoto: Eibner-Pressefoto

Handball.de: Sie waren auch bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr dabei. War die Stimmung in der Mannschaft diesmal anders? 
Theuerkauf: “Wir hatten diesmal weniger Nebenschauplätze. Vergangenes Jahr sind Personen in den Vordergrund gerückt, ohne dass es sportliche Gründe dafür gab. Es ging eher um Karriereenden oder um eventuelle Fehler bei der Aufstellung. Auch die Olympia-Qualifikation war ein großes Thema. Dass wir nur einen Sieg mehr benötigt hätten, um in das Halbfinale einzuziehen, ging praktisch unter. All das war diesmal anders. Wir hatten eine junge Truppe, jeder hat sich bemüht, wir konzentrierten uns voll und ganz auf uns.” 

Handball.de: Mit den Karriereenden meinen Sie Pascal Hens, der vor dem Turnier ankündigte, er würde bei einer verpassten Olympia-Qualifikation aus der Nationalmannschaft zurücktreten? 
Theuerkauf: “Das möchte ich unkommentiert lassen. Es war ohnehin nicht nur eine Person. Die Leute wissen, worum es da ging.” 

Handball.de: Zurück zur Weltmeisterschaft. Im ersten Gruppenspiel gegen Brasilien machte die Mannschaft einen unsicheren Eindruck. Im nächsten Spiel gab es eine Niederlage gegen Tunesien. Warum ging es erst danach bergauf? 
Theuerkauf: “Das Auftaktspiel ist immer schwierig. Besonders wenn man gegen eine Mannschaft spielt, dessen Spieler eher unbekannt sind. Das war für unsere Gegner zunächst ein Vorteil. Im Ausland wird die Bundesliga verfolgt. Selbst wir WM-Debütanten waren den gegnerischen Spielern und Trainern bekannt. Wir hatten nicht die Möglichkeit, die brasilianische oder argentinische Liga in gleichem Maße zu verfolgen. Zum Spiel gegen Tunesien ist zu sagen, dass sie einfach die bessere Mannschaft war und verdient gewonnen haben.” 

Handball.de: Ist der Sieg gegen Frankreich der Beweis, dass man jede Mannschaft der Welt besiegen kann? 
Theuerkauf: “Wir wurden von Martin Heuberger und Frank Carstens einfach gut auf das Spiel eingestellt. Wir kannten jede Schwäche der gegnerischen Abwehr, waren auch mit ihrem Angriff gut vertraut. Als wir im Spiel feststellten, dass die Franzosen schlagbar sind, mussten wir unser Spiel einfach so weiterführen.” 

Handball.de: Trauen Sie der Nationalmannschaft zu, in den nächsten Jahren einen Titel zu gewinnen? 
Theuerkauf: “Natürlich ist es unser aller Traum, mit der Nationalmannschaft eine Medaille zu holen - auch für mich. Aber aktuell sind wir noch nicht einmal für die Europameisterschaft qualifiziert. Es wartet noch viel Arbeit auf uns. Wir sollten nicht zu weit denken. Leider gibt es in Deutschland nur schwarz oder weiß. Entweder man ist Weltklasse oder eine Gurken-Truppe. Wir sollten ein Mittelmaß finden, um die Leistungen zu würdigen und trotzdem auf dem Boden zu bleiben. Wir haben gezeigt, was wir können. Unsere Nationalmannschaft wird nicht mehr belächelt. Aber ich denke nicht, dass wir bereits in der Weltspitze angekommen sind.” 

Autor: admin
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