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HSG Konstanz verliert nach acht Jahren dienstältesten Akteur

24.02.2015 - 15:24 Uhr

Irgendwann kommt er immer, der schmerzliche Moment des Abschieds. Acht Jahre lang war das Trikot der HSG Konstanz mit der Nummer 11 fest an ein und denselben Spieler vergeben. Zum Ende der aktuellen Spielzeit 2014/15 muss die HSG Konstanz nun den Verlust ihres Mannschaftskapitäns Matthias Faißt verkraften.

Seit 2007 ging er für die HSG in der 3. Liga auf Punkt- und Torjagd. Nach der aktuellen Saison sieht Matthias Faißt den richtigen Moment gekommen, um Platz für jüngere Spieler zu machen und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, in dem Handball nicht mehr den bisher großen Raum einnehmen kann und soll. „Ich habe versucht, meinen Teil dazu beizutragen, etwas aufzubauen. Ein Rückzug, wenn Not am Mann ist, kam daher auch nie in Frage. Nun, da junge, hungrige Talente nach oben drängen und ich spüre, dass sie es unbedingt wollen und können, kann ich mich beruhigt zurückziehen“, sagt Matthias Faißt, nicht ohne jedoch gleich hinterherzuschieben, dass er bis zum Saisonende noch einmal zeigen möchte, was er kann und seinen Teil zu einer erfolgreichen Saison beisteuern möchte. „Ich spiele gerne und möchte noch möglichst oft gewinnen. Ich werde es genießen und die jungen Spieler bis dahin gerne führen.“
    
Zwar wird der Begriff „Ära“ – gerade in der Welt des Sports, wo Vereinswechsel nach nur einem oder zwei Jahren fast schon zur Regel geworden sind – zunehmend inflationär gebraucht. Nach einer achtjährigen Handballkarriere mit unzähligen Höhen und einigen bitteren Tiefpunkten mit ein und demselben Verein, die langsam ihrem Ende entgegen steuert, ist er hingegen nichts anderes als angemessen. Angemessen für das, was er für die HSG Konstanz geleistet hat. Mit großem Einsatz, Willen, Initiative, Loyalität und Treue hat er die jüngere Vereinsgeschichte der HSG maßgeblich mitgeprägt und viel zur positiven Entwicklung der HSG Konstanz zu einem Spitzenteam der 3. Liga, das regelmäßig oben mitspielt, beigetragen. Bis zum Ende der aktuellen Spielzeit wird Matthias Faißt, wie schon so viele Jahre zuvor, das Steuer des sehr jungen HSG-Teams als Kapitän, Anführer und Vorbild noch in der Hand halten, dann wird der für beide Seiten emotionale und schmerzhafte Moment kommen, wenn das 28-jährige Rückraum-Ass von Bord der Kommandobrücke des HSG-Flaggschiffs Drittligamannschaft gehen wird. Der 9. Mai, der Tag des letzten Spiels der HSG Konstanz in dieser Saison, wird kein leichter für alle, die mit der HSG Konstanz verbunden sind und sich der 1,92 Meter große Torjäger und Abwehrdirigent aus dem Leistungssport zurückziehen wird.

Für Matthias Faißt ist dann der richtige Moment gekommen, um sich zu verabschieden: „Für mich beginnt mit dem Einstieg ins Berufsleben ein neuer Lebensabschnitt, in dem sich die Prioritäten verschieben werden.“ Nach einem erfolgreichen Lehramtsstudium mit den Fächern Mathematik und Englisch sowie dem Abschluss seines Wirtschaftswissenschaftsstudiums möchte er im Januar sein Referendariat beginnen, gerne auch in Konstanz, wie er betont – auch wenn das nicht in seiner Hand liegt. Allerdings möchte er den hohen zeitlichen Aufwand für die 3. Liga und die damit verbundene hohe Belastung im Handball dann nicht mehr auf sich nehmen. „Meine Freundin ist all die Jahre immer hinter mir gestanden und hat schon viel mit mir zusammen durchgestanden“, erklärt Matthias Faißt, „jetzt will ich den Schritt machen und etwas Neues beginnen. Für mich ist es nun besser, meine Kraft auf eine Aufgabe zu fokussieren, als weiterhin zwischen den Welten zu pendeln.“ Das Neue ist der Beruf des Lehrers, der mit dem Referendariat beginnen soll, aber auch das Privatleben, das bislang oft zurückstehen musste. „Ich werde dann viel Zeit für andere Dinge haben. Ich kann dann vielleicht auch einmal entspannt ein Konzert besuchen, ins Kino gehen oder einfach mit meiner Freundin etwas Leckeres kochen. Gerade die Partnerschaft bekommt den Raum und den Fokus, den sie braucht. Darauf freue ich mich.“

Andre Melchert, Sportlicher Leiter der HSG Konstanz, weiß um die große Lücke, die er im Team der HSG Konstanz hinterlassen wird: „Es ist natürlich sehr schade, dass wir mit Matze den Kapitän und einen ganz wichtigen Mann verlieren, der für uns sowohl in der Abwehr als auch im Angriff enorm wertvoll ist. Wir können allerdings seine Beweggründe absolut nachvollziehen.“ Es hatte damals schließlich nicht lange gedauert, bis Matthias Faißt sich nach seinem Wechsel 2007 vom TuS Schutterwald an den Bodensee zum absoluten Leistungsträger entwickelt hatte, der zum Torschützen vom Dienst wurde und sich mehrmals den Pokal des besten Konstanzer Torschützen sichern konnte. Zwischenzeitlich wurden auch höherklassige Vereine auf ihn aufmerksam, doch auch wenn den ehrgeizigen gebürtigen Schwarzwälder die 2. Bundesliga durchaus gereizt hätte, hielt er der HSG Konstanz trotz anderer Angebote stets die Treue. Wichtiger als in der höchstmöglichen Klasse zu spielen war ihm immer, sich wohlzufühlen. Auch das ist ein Beleg dafür, dass die HSG in Zukunft eben keinen gewöhnlichen Spieler vermissen wird.

Er ist einer, der die leider viel zu oft verloren gegangene Freude an den kleinen Dingen des Lebens immer besonders genießen kann und sich auch gerne Zeit für seine Mitspieler nimmt. Nicht nur für die vielen jüngeren Spieler im Team der Konstanzer ist er als Ansprechpartner hochgeschätzt. „Ich habe hier ein paar meiner allerbesten Freunde kennengelernt. Es hat mir immer unwahrscheinlichen Spaß gemacht, hier zu spielen“, sagt Matthias Faißt, „schließlich bin ich hier groß geworden und habe mich von einem Heranwachsenden zu einem gestandenen Spieler entwickelt. Dabei haben die tollen Menschen in meiner Umgebung viel zu einer wunderbaren Zeit beigetragen. Wenn ich nur an Familie Kessler denke, die mich am Anfang so herzlich und familiär aufgenommen hat. Oder der Gemüseladen im Paradies und die vielen herzlichen Begegnungen, eben die ganz tollen kleinen Dinge. Konstanz und die HSG werden immer einen großen Platz in meinem Leben haben.“

Matthias Faißt wird den Verantwortlichen, Fans und Spielern der HSG Konstanz als ganz besonderer Sportler und Mensch auch dank seines herzlichen Lachens in Erinnerung bleiben. Auch, weil jede Begegnung mit ihm damit beginnt, dass er jedem ein ehrliches und warmherziges Lächeln schenkt. Seine Mitmenschen beschreiben ihn als smart, ehrgeizig und zielstrebig, aber vor allem als äußerst offenen, hilfsbereiten und lebensbejahenden Menschen – und das, obwohl er 2009 einen Schicksalsschlag zu verkraften hatte, der das Zeug dazu hat, Menschen komplett aus der Bahn zu werfen. 22 Jahre war er alt, als sein jüngerer Bruder Sebastian – eines der größten deutschen Handballtalente – für die deutsche U21-Nationalmannschaft als Kapitän gegen die Schweiz spielte, beim Zurücklaufen nach einem Angriff ohne gegnerische Einwirkung zusammenbrach und verstarb.

Es folgten schwere Stunden, Monate und Jahre, die Verein und Spieler zusammenschweißten. „Die Unterstützung von allen Seiten, sei es durch die Mannschaft, die Trainer, das Umfeld oder das Management hat mich immer sehr beeindruckt“, erzählt Matthias Faißt, warum er sich bei der HSG so wohl fühlt und zu keinem anderen Verein wechseln wollte. „Es bleiben tolle Freundschaften zu Fans, Spielern und Verantwortlichen, ganz tollen Menschen, die ich hier kennen lernen durfte.“ HSG-Präsident Otto Eblen möchte die Verdienste seines langjährigen Kapitäns, der die Ziele des Vereins konsequent mittrug und oft als verlängerter Arm des Managements fungierte, gebührend gewürdigt wissen: „Matze hinterlässt sportlich und menschlich eine große Lücke. Er hat das Team der HSG über Jahre hinweg vorbildlich auf und neben dem Spielfeld angeführt und hat unsere Ziele stets mit vollem Einsatz und Ehrgeiz verfolgt. Wir haben ihm viel zu verdanken und wünschen ihm auf seinen weiteren Wegen beruflich und privat alles erdenklich Gute.“

Verdienste, die zusammen mit seinem Team zu so vielen Highlights führten, dass er sie gar nicht aufzählen kann, aber „die Spiele gegen Coburg oder Neuhausen/Erms waren schon überragend. Die Halle hat getobt und wir haben die besondere Atmosphäre aufgesogen. Das war schon eine tolle Sache. Alleine in unsere „Schänzle-Hölle“ einlaufen zu dürfen war immer ein Gänsehautmoment. Es ist ein Privileg, die atemberaubende Kulisse bei Topspielen oder dem Superball erleben zu dürfen.“ Doch die körperlichen Belastungen aus vielen spannenden Drittliga-Fights haben mit zunehmendem Alter auch Spuren beim Konstanzer Rückraumkanonier hinterlassen. Mehrere Rippenbrüche hatte er immer wieder zu verkraften, dazu kam zu Beginn der aktuellen Saison der Moment, als sich im Training sein Knie nach hinten überstreckt hatte und das Kreuzband gedehnt und leicht beschädigt wurde. Zwei Monate war er daraufhin zum Zuschauen verdammt. Die Signale seines Körpers sind auch ein Grund, um nun kürzer zu treten – aber nicht, um die Handballschuhe komplett an den berühmt-berüchtigten Nagel zu hängen. „Ganz ohne Handball würde es mir sehr schwer fallen, da bin ich mir sicher. In den ersten Wochen wäre es vielleicht noch schön – aber dann…“, so Matthias Faißt, der deswegen anfügt: „Es ist mir wichtig, mich fit zu halten. Ich werde wenn möglich bei der HSG vorbeischauen und eventuell bei der zweiten Mannschaft mittrainieren.“

So endet ein Stück HSG-Geschichte am 9. Mai, wenn auch vielleicht nicht vollständig. Richtig weg wird Matthias Faißt so oder so nie sein: „Die HSG Konstanz ist eine echte Herzensangelegenheit für mich. Ich empfinde große Dankbarkeit für alles, was mir ermöglicht wurde und ich erreichen konnte. Ich möchte mich daher bei allen Helfern und Verantwortlichen für ihren großen Einsatz bedanken, mit dem sie dazu beitragen, dass das Konzept „HSG“ so toll funktioniert. Dem Umfeld und den Fans möchte ich dafür danken, dass sie viele Jahre für uns geschrien und mit uns gejubelt haben. Meinem Trainer Daniel Eblen danke ich ebenso für die Chance, die er mir gegeben hat, wie unserem Präsidenten Otto Eblen. Was er ehrenamtlich für Zeit und Engagement für junge Leute einbringt, ist bemerkenswert. Ich bin ihm sehr, sehr dankbar für alles.“ Weil auch die HSG Konstanz ihrer Identifikationsfigur Matthias Faißt, der sich als großes Vorbild für den Nachwuchs auch mit großer Freude bei zahlreichen Jugendcamps und der verlässlichen Ferienbetreuung engagierte, viel zu verdanken hat, wird das letzte HSG-Heimspiel am 9. Mai sicher zu einer hochemotionalen Angelegenheit. Tränen werden an diesem Tag viele fließen. Aber auch die Hoffnung wird mitschwingen. Darauf, dass es gar kein richtiger Abschied, sondern nur ein Rückzug aus der ersten Reihe ist.

Quelle: HSG Konstanz
Autor: Handball.de
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