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Heuberger: „Niemand kann Wunderdinge erwarten“

Interview mit dem Bundestrainer zur kommenden WM im Januar in Spanien

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Der Bundestrainer Martin HeubergerFoto: Eibner-Pressefoto
11.12.2012 - 10:32 Uhr

Der Bundestrainer Martin Heuberger sprach mit Handball.de über die bevorstehende Weltmeisterschaft in Spanien, die hohe Spielbelastung in den Vereinen und über die unterschiedlichen Fitnesszustände der Nationalspieler. 

Herr Heuberger, die letzten beiden Länderspiele gegen Israel (30:27) und Montenegro (27:31) verliefen enttäuschend. Mit welcher Zielsetzung blicken Sie nun zur WM? 
Heuberger: „Wir wissen, dass wir in diesen beiden Spielen nicht gut waren. Aber wenn ich an die Partien gegen Dänemark oder Polen zurückdenke, bin ich wieder ganz schnell positiv gestimmt. Auch gegen Serbien hatten wir eine gute Torhüter-Leistung und eine sehr gute 6:0 Abwehr. Es ist für mich die Grundlage, dass wir stabil in der Abwehr stehen und einfache Tore über den Gegenstoß erzielen. Dann würde auch im Angriff das eine oder andere Tor leichter fallen. Daran werden wir arbeiten. Auch wenn wir nur eine kurze Vorbereitung haben, denke ich, dass wir jedem Gegner in der Vorrunde Paroli bieten können.“ 

War die Abwehr bisher die Schwäche Ihrer Mannschaft?
Heuberger: „Sicherlich war die Abwehr bei den Spielen gegen Israel und Montenegro unsere Achillessehne. Wir hatten nicht die erforderliche Stabilität. Daher wird in unserer Vorbereitung ein Schwerpunkt darauf liegen. Aber auch im Angriff müssen wir uns einige taktische Dinge überlegen. Bei der Weltmeisterschaft werden wir auf viele Mannschaften mit einem offensiven Abwehrspiel treffen. Darauf müssen wir vorbereitet sein.“ 

Martin HeubergerZoom
Martin HeubergerFoto: Eibner-Pressefoto

Was ist mit der Nationalmannschaft bei der WM überhaupt möglich?
Heuberger: „Wir wollen den maximalen Erfolg. Aber wir sind im Umbruch. Niemand kann von der Mannschaft Wunderdinge erwarten. In der letzten Zeit war der Anspruch von Außen sehr hoch. Das tut der Mannschaft nicht gut. Trotzdem müssen wir damit umgehen. Dazu werden viele Gespräche notwendig sind.“ 

Können Sie ein konkretes Ziel für die WM nennen? 
Heuberger: „Es ist das oberste Ziel, das Achtelfinale zu erreichen. Dazu müssen wir in den fünf Vorrundenbegegnungen mindestens drei Spiele gewinnen. Was danach kommt, wird man sehen. Das hängt auch von den Gegnern ab.“ 

Warum hatte die Nationalmannschaft zuletzt keinen Erfolg?
Heuberger: „Die internationale Konkurrenz ist groß. Nationen wie Dänemark, Spanien oder Frankreich und so weiter können alle Handball spielen. Aber wenn unsere Spieler an die Leistung in der Bundesliga herankommen, können wir mit einigen Nationen mithalten. Meine Spieler haben eine tolle Trainingsmoral, sie brennt auf dem Spielfeld. Ich hoffe, dass wir dafür nun auch belohnt werden.“ 

Wie stark schätzen Sie Ihre Vorrundengegner Frankreich, Argentinien, Brasilien, Tunesien und Montenegro ein? 
Heuberger: „Wir haben leider von allen Kontinenten die stärksten Vertreter bekommen. Argentinien hat bei der Weltmeisterschaft 2011 Schweden als Gastgeber besiegt. Auch wir haben uns beim Spiel um Platz 11 gegen sie schwer getan. Gegen Brasilien werden wir ebenfalls alles zeigen müssen.“ 

Was denken Sie über Tunesien und Montenegro? 
Heuberger: „Die Tunesier sind ein robuster und unbequemer Gegner. Sie spielen eine offensive 5-1 Abwehr und haben im Angriff individuell starke Spieler, zum Beispiel den zum THW Kiel wechselnden Wael Jallouz. Es sind also viele Leute von internationalem Format im Kader. Und gegen Montenegro haben wir kürzlich in der Qualifikation verloren. Ich spüre bei uns durchaus Rachegelüste.“ 

Und im letzten Vorrundenspiel geht es gegen Frankreich. 
Heuberger: „Wir müssen schauen, was gegen diese Mannschaft möglich ist. Ich hoffe, dass wir unbeschwert in das Spiel gehen können.“ 

Sie haben kritisiert, dass während ihres Lehrgangs Anfang Dezember zwei Bundesliga-Spiele angesetzt waren und Ihnen viele Nationalspieler fehlten. Spüren Sie zu wenig Unterstützung von der Liga?
Heuberger: „Darauf schaue ich nicht mehr zurück. Die Bundesliga hat mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht, das ist richtig. Aber nun konzentriere ich mich voll auf die Vorbereitung.“ 

Fällt für die WM verletzt aus: Uwe Gensheimer.Zoom
Fällt für die WM verletzt aus: Uwe Gensheimer.Foto: Eibner-Pressefoto

Wie ist der Stand der Dinge bei den Verletzten? 
Heuberger: „Mit den beiden Flensburgern werde ich noch diese Woche Gespräche führen. Bei Lars Kaufmann ist der Genesungsverlauf abzuwarten. Holger Glandorf spielt zwar aktuell, hat aber nach jedem Spiel seine Probleme. Von Sven-Sören Christophersen habe ich gute Signale bekommen. Der behandelnde Arzt ist zuversichtlich, dass er noch vor Weihnachten wieder Bundesliga spielen kann. Bei Markus Richwien sieht es nicht ganz so gut aus. Trotzdem werde ich ihn vermutlich in mein 28er Aufgebot aufnehmen.“ 

Wer soll Uwe Gensheimer ersetzen? 
Heuberger: „Eventuell wird Kevin Schmidt als Debütant auf der rechten Seite dabei sein.“ 

Ist die Mannschaft in der Lage, verletzungsbedingte Ausfälle zu kompensieren? 

Heuberger: „In der Breite sind wir gut aufgestellt. Beim letzten Lehrgang hatten wir zum Beispiel auch Christian Dissinger und Steffen Fäth dabei, die einen guten Eindruck hinterließen. Vielleicht käme eine Weltmeisterschaft noch etwas zu früh. Aber wenn es nötig ist, werde ich sie ins kalte Wasser werfen. Ich bin sicher, dass sie sich schnell freischwimmen würden. Auch ein Patrick Wiencek, der sein zweites Turnier spielen wird, könnte nun bereits mehr Verantwortung übernehmen. Wie werden den Umbruch weiter fortführen.“

Wird er bei der WM wieder für Deutschland mit dabei sein? Michael Kraus.Zoom
Wird er bei der WM wieder für Deutschland mit dabei sein? Michael Kraus.Foto: Eibner-Pressefoto

Wie stehen die Chancen, dass Michael Kraus bei der Weltmeisterschaft dabei sein wird? 
Heuberger: „Er ist in meinen Überlegungen. Aufgrund der schwierigen Situationen mit vielen Verletzten werde ich Mimi in das 28er Aufgebot aufnehmen. Die endgültige Entscheidung, wer in den 16er oder 18er Kader kommt, wird wahrscheinlich in der Weihnachtswoche fallen. Bis dahin mache ich mir Gedanken über die gesamte Mannschaftsstruktur.“ 

Wie sehen Sie die Leistung von Michael Kraus aktuell? 
Heuberger: „Bei der Qualifikation für die EM stand er nicht zur Debatte, weil er zuvor lange verletzt war. Zudem hatte er den Anschluss beim HSV nicht geschafft. Jetzt hat er einige Spiele bestritten. Ich habe ihn auch in Berlin gesehen. Zumindest in der ersten Halbzeit hat er einen sehr guten, engagierten Eindruck gemacht. Das hat mich positiv gestimmt. Aber ich muss abwägen, ob er der Mannschaft wirklich weiterhelfen kann. Es zählen nicht nur die handballerischen Dinge. Gerade in der aktuellen Umbruch-Phase ist vieles abzuwägen, damit der Kader harmoniert.“ 

Gegen Montenegro bildete Carsten Lichtlein zusammen mit Silvio Heinevetter das Torwart-Duo, gegen Israel Martin Ziemer mit Heinevetter. Welches Duo schätzen Sie momentan stärker ein?
Heuberger:
 “Silvio Heinevetter ist natürlich unumstritten die Nummer 1. Er hat für Berlin viele Spiele gewonnen. Ich hoffe, dass er diese Stabilität auch in der Nationalmannschaft zeigen wird. Wer die Nummer 2 wird, entscheidet sich vermutlich erst spät und hängt von den Trainingseindrücken ab. Sicherlich werden wir mit drei Torhütern in die Vorbereitung gehen.”  

Viele ehemalige Leistungsträger, wie zum Beispiel Christian Sprenger und Pascal Hens, haben der Nationalmannschaft wegen der hohen Belastung den Rücken gekehrt. Haben Sie die Befürchtung, dass es in den nächsten Jahren weitere Rücktritte aufgrund der hohen Belastung geben wird? 
Heuberger: “Dieser Weg zeichnet sich ab, und das ist sehr schade. Ich habe versucht, einen Vorschlag zu machen. (Eine Verkleinerung der Bundesliga auf 16 Vereine und eine Reduzierung des Länderspielprogramms und der Champions League, Anm.d.Red.). Ich werde weiter dafür kämpfen. Aber leider bin ich nicht in der Situation, das zu entscheiden.” 

Dieser Vorschlag hat Ihnen Kritik eingebracht. 
Heuberger: “Dass die kleineren Vereine, die nicht international spielen und wenig Nationalspieler haben, das nicht für gut heißen, kann ich nachvollziehen. Die haben 34 Bundesliga-Spiele und vielleicht ein paar Pokalspiele. Die Belastung ist nicht so groß. Aber bei den Top-Mannschaften macht man einen Irrsinn. Schauen Sie sich den SC Magdeburg an: Die haben wegen des Einzugs in die Europapokal-Gruppenphase von Februar bis Ende April nur noch englische Wochen. Das ist den Spielern nicht zuzumuten.” 

Kürzlich fand mit den Nationalspielern eine Leistungsdiagnostik mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen statt. Sind manche Spieler also nicht fit?
Heuberger: “Die mitunter schlechteren Ergebnisse sind darauf zurückzuführen, dass bei einigen Mannschaften aufgrund der hohen Spielbelastung kaum noch ein vernünftiges Training stattfindet. Wenn dann jemand an Spieltagen nicht ausreichend Einsatzzeit bekommt, wobei man sich konditionell weiterentwickeln könnte, geht die Grundlagenausdauer zurück. Diese Spieler sitzen an Spieltagen auf der Bank, und an Trainingstagen findet nur Regeneration oder taktisches Training statt. Aber es gab bei der Leistungsdiagnostik auch gute Ergebnisse.” 

Autor: Oliver Jensen
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