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Heiner Brand: “Erfolgreiches Abschneiden ist existenziell wichtig”

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Heiner BrandFoto: Eibner-Pressefoto
11.01.2013 - 13:04 Uhr

Bis 2011 führte Heiner Brand die Deutsche Nationalmannschaft noch selber auf das Feld. Der WM-Titel 2007 im eigenen Land war sein größter Erfolg. Vor eineinhalb Jahren trat Brand als Trainer zurück und wurde Manager beim Deutschen Handballbund (DHB). 

Mit Handball.de Mitarbeiter Oliver Jensen spricht der 60-Jährige über die Bedeutung der bevorstehenden Weltmeisterschaft, die Chancen der Deutschen Nationalmannschaft und die schwierige Zusammenarbeit mit den Vereinen. 

Handball.de: Herr Brand, die Weltmeisterschaft steht bevor. Was ist der Deutschen Nationalmannschaft zuzutrauen? 
Brand: “Das ist abzuwarten. Bei jedem Turnier gibt es einige Unwägbarkeiten. Aber ich gehe davon aus, dass die Vorrunde gut überstanden wird. Eine gute Platzierung wäre wünschenswert, damit man im Achtelfinale einen machbaren Gegner bekommt." 

Handball.de: Sie haben es selber angesprochen: 6 der 16 Nominierten haben noch nie bei einem Großturnier gespielt. Könnte die mangelnde Erfahrung ein Problem werden? 
Brand: “Nein. Ich denke, dass dieses Thema überbewertet wird. Wir haben die vermutlich stärkste Liga der Welt. Die Spieler wurden dort bereits vor viele harte Momente gestellt. Junge und unerfahrene Spieler sind es, abgesehen von Steffen Fäth, ohnehin nicht mehr. Stefan Kneer ist zum Beispiel 27, Steffen Weinhold 26. Das sind gestandene Spieler. Bei einer Weltmeisterschaft ist das öffentliche Interesse natürlich größer als in der Bundesliga. Aber damit können diese Jungs bestimmt umgehen.” 

Handball.de: Wie groß wäre der Schaden für den Deutschen Handball, wenn das Turnier wieder mit einer Enttäuschung endet? 
Brand: “Ein erfolgreiches Turnier ist für den Deutschen Handballbund und auch die Bundesliga existenziell wichtig. Ich hoffe, dass sich diese Einsicht auf alle Beteiligten überträgt. Seit Jahren versuche ich klarzumachen, dass das Interesse der Sportart durch das Ansehen der Nationalmannschaft bestimmt wird.” 

Handball.de: Sie glauben also, dass ein erfolgreiches Turnier auch in der Bundesliga zu volleren Hallen und zu höheren Einschaltquoten führen würde. 
Brand: “Natürlich würde sich ein Erfolg der Nationalmannschaft auf viele Bereiche positiv auswirken. Zum Beispiel auch auf die Nachwuchsarbeit. Nach der Weltmeisterschaft 2007 sind uns junge Menschen die Hallen eingelaufen. Alle wollten Handball spielen. Das Ansehen der gesamten Sportart hängt von der Nationalmannschaft ab. Ich treffe häufig Menschen aus anderen Sportarten oder aus der Wirtschaft. Wird dort über Handball gesprochen, ist nicht die Bundesliga, sondern die Nationalmannschaft das Thema.” 

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Heiner BrandFoto: Eibner-Pressefoto

Handball.de: Holger Glandorf hat das Turnier abgesagt. Andere Leistungsträger wie Pascal Hens, Johannes Bitter und Christian Sprenger sind ohnehin längst von der Nationalmannschaft zurückgetreten. Hat die DHB-Auswahl für die Spieler an Wichtigkeit verloren? 
Brand: “Viele Spieler sind weiterhin stolz, für die Nationalmannschaft aktiv zu sein. Die Absagen und Rücktritte einiger Spieler sind differenziert zu betrachten. Pascal Hens ist mittlerweile 32 Jahre alt und hat bereits einige Verletzungen hinter sich. Es ist verständlich, dass er einen Schlussstrich gezogen hat. Auch Christian Sprenger sowie Jogi Bitter waren von Verletzungen betroffen und haben ein gewisses Alter erreicht. Problematisch ist allerdings, wenn manche Vereine ihre Spieler beeinflussen, damit sie nicht zur Nationalmannschaft fahren. Kleinere Verletzungen werden gerne als Vorwand genommen, um daheim zu bleiben.” 

Handball.de: Wie zum Beispiel bei Holger Glandorf… 
Brand: “Die Vereine denken, sie bezahlen die Spieler und haben daher auch das Zugriffsrecht. Aber das ist ziemlich kurzfristig gedacht.” 

Handball.de: Verstehen die Vereine nicht, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg auch von der Nationalmannschaft abhängt? 
Brand: “Ich denke, dass die Vereine es so langsam verstehen. Aber das Verständnis dafür und die Bereitschaft, dementsprechend zu handeln, sind zweierlei." 

Handball.de: Probleme zwischen den Vereinen und dem DHB scheint es auch bei den Frauen zu geben. Die Bundesligisten SV Buxtehude und Bayer Leverkusen haben sich geweigert, ihre Spielerinnen für den geplanten DHB-Lehrgang vom 14. bis zum 16. Januar abzustellen. Ist das ein weiteres Beispiel dafür, dass viele Vereine den Wert der Nationalmannschaft unterschätzen? 
Brand: “Sicherlich ist das ein Beispiel dafür. Zumal der Termin im langfristigen Terminplan fest eingeplant war. Es zeigt, dass einige Vereine ihre eigenen Interessen nach vorne stellen. Gerade bei den Frauen ist das bedauerlich. Schließlich kämpft der Frauen-Handball seit vielen Jahren um ein überregionales Interesse der Öffentlichkeit. Das wird nur mit Erfolgen der Nationalmannschaft gelingen." 

Handball.de: Sprechen wir wieder über die Herren: Im Jahre 2007 haben Sie die Deutsche Nationalmannschaft zum WM-Sieg geführt. Seitdem sind die Erfolge bei den Großturnieren zurückgegangen. Was ist in den letzten sechs Jahren schief gelaufen? 
Brand: “2008 haben wir mit dem vierten Platz noch eine ordentliche Europameisterschaft gespielt. Auch 2009 wären wir in das Halbfinale eingezogen, hätte es nicht die leidige Schiedsrichter-Geschichte gegeben. Aber es stimmt, dass es danach weniger erfolgreich lief. Das hat natürlich mehrere Ursachen gehabt. Es gab häufig Verletzungspech und es fehlten die herausragenden Spielerpersönlichkeiten. Die Konstanz war dadurch nicht vorhanden. Wir waren immer dazu in der Lage, große Mannschaften zu besiegen. Aber häufig haben wir direkt danach gegen eine schwächere Nation verloren. Heute wie damals gilt: Wir sind von der Weltspitze nicht weit entfernt, brauchen allerdings mehr Konstanz.” 

Handball.de: Letzte Frage: Wer sind bei der Weltmeisterschaft die Favoriten? 
Brand: “Die üblichen Verdächtigen, also Frankreich, Dänemark, Kroatien und Spanien als Gastgeber, sind zu nennen. Aber einen richtig großen Favoriten sehe ich nicht. Spanien hat zum Beispiel großes Verletzungspech. Und bei Frankreich ist abzuwarten, ob der Wettskandal Auswirkung auf das Zusammenleben in der Mannschaft hat. Es könnte auch einen Überraschungssieger geben. In vielen Ländern findet nach Olympia eine Übergangsphase statt.”


Hier geht's zum zeiten Teil des Interviews mit Heiner Brand

Autor: Oliver Jensen
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