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Handballprofis im Berufsleben

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Steffen Bühler ist vergangene Saison mit dem TV Großwallstadt aus der Bundesliga abgestiegenFoto: Eibner-Pressefoto
21.07.2013 - 13:06 Uhr

Nur die wenigsten Handballspieler haben nach der Karriere ausgesorgt. Die Profis müssen Sport und Ausbildung unter einen Hut bringen, um auch nach der Karriere ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

“Mir war schon immer klar, dass ich zweigleisig fahren würde”, sagt Steffen Bühler, der vergangene Saison mit dem TV Großwallstadt aus der Bundesliga abgestiegen ist. "Der Profisport bietet keine Sicherheit. Eine einzige Verletzung könnte eine gesamte Karriere ruinieren.“ Der Kreisläufer hat ein Studium in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und ein Studium der Wirtschaftspädagogik drangehangen. Kommende Saison wird er „nur“ noch in der 3. Liga beim TV Hochdorf spielen. Große Summen werden in der Drittklassigkeit zwar nicht bezahlt. Aufgrund seiner guten Ausbildung ist er darauf auch nicht angewiesen. Professionelle Handballspieler wissen, wie wichtig ein zweites Standbein ist. “Dafür, dass es weitere 40 oder 50 Jahre zum Leben ohne Einkünfte reicht, wird im Handball nicht genug verdient”, sagte Spielerberater Wolfgang Gütschow in einem Interview 2011. “Nur ein Spitzenverdiener, der sein Geld zusammenhält, wird am Ende ein paar Immobilien oder sonstige Anlagen haben, die ihm eine gewisse Sicherheit, besonders im Alter, garantiert.” 

Seriöse Spielerberater geben ihren Klienten die Empfehlung, die sportlichen Freiräume zu nutzen, um zweigleisig zu fahren. “Erst mit 30 oder 35 Jahren ein Studium oder eine Ausbildung zu beginnen, ist nicht ganz so einfach. Ich lege bei den Jugend- und Juniorennationalspieler meiner Klienten größten Wert darauf, dass sie eine Ausbildung oder ein Studium beginnen”, sagt Wolfgang Gütschow. Dass das Studium aufgrund der Doppelbelastung ein wenig länger dauern kann, ist völlig normal. “Niemand muss die Regelstudienzeit einhalten. Wichtig ist nur, dass das Studium bei Karriereende abgeschlossen ist” weiß Spielerberater Ekkehard Hostert. 

Ein Studium ist flexibler

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Sascha Detlof (Füchse Berlin, links) in der Saison 07/08 beim Torwurf gegen Nandor FazekasFoto: Eibner-Pressefoto

Ein Studium, ganz besonders ein Fernstudium, lässt sich gut mit dem Profisport vereinbaren. Benjamin Herth (TBV Lemgo) studiert Sport und Englisch auf Lehramt, Michael Kraus (Göppingen) strebt ein Business-Management Studium an, Jens Schöngarth (TuS-N Lübbecke) hat sich für eine Weiterbildung zum Sport-Mentalcoach entschieden. Nicht ganz so flexibel wie ein Studium ist der Berufsalltag mit festen Arbeitszeiten. Nur mit einem toleranten Arbeitgeber, der die Arbeitszeit an den Sport anpasst, oder einem toleranten Trainer, bei dem man gelegentlich eine Trainingseinheit ausfallen lassen darf, lassen sich Beruf und Sport verbinden. Das ist nicht überall möglich: “Bei den Spitzenvereinen der ersten Liga muss der Beruf den sportlichen Zielen untergeordnet werden. Die Klubs würden es nicht akzeptieren, wenn jemand wegen dem Beruf bei einem Spiel fehlt”, sagte Ekkehard Hostert in einem Interview. Selbst in der zweiten Liga ist es teilweise schwierig, Beruf und Sport miteinander zu vereinbaren. Manche Zweitligisten trainieren nur dreimal wöchentlich am Abend, andere zweimal täglich. 

Sollte sich Sport und Beruf nicht miteinander vereinbaren lassen, müssen die Spieler eine Entscheidung treffen. So wie zum Beispiel Sascha Detlof. Seit dem Jahre 2002 war der Kreisläufer aus der Mannschaft der Füchse Berlin nicht mehr wegzudenken. Parallel absolvierte der Berliner ein Medizinstudium. Als im Sommer 2009 sein praktisches Jahr begann und ihm 40-Stunden Wochen winkten, musste der Sport zurückstehen. Ein normales Training sei nicht mehr möglich, erklärte er damals. Seitdem spielt er noch für die zweite Mannschaft der Füchse. 

Nach dem Training an den Bankschalter

Markus RichwienZoom
Markus RichwienFoto: Eibner-Pressefoto

Sein Kollege von den Füchsen, Bundesligaspieler Markus Richwien, traf eine andere Entscheidung. Als er seine Berufsausbildung zum Bankkaufmann im Jahre 2009 abgeschlossen hatte, wollte er sich nur noch auf den Sport konzentrieren. Trotzdem ist er glücklich, später auf seine Ausbildung zurückgreifen zu können. “Als ich zu den Füchsen ging, war es für mich eine Grundvoraussetzung, dass ich einen Ausbildungsplatz bekomme”, erinnert er sich. Manager Bob Hanning ließ seine Kontakte spielen und vermittelte ihm die erhoffte Ausbildung. Einerseits ein Grund zur Freude, andererseits war die Doppelbelastung auch mit wahren Strapazen verbunden. 

Morgens stand die erste Trainingseinheit an. Danach schnappte sich Richwien seinen Anzug und stand in der Bank, bevor am Abend die zweite Trainingseinheit begann. Nur weil er seine Ausbildung per Teilzeitarbeit ableisten konnte und er während der Berufsschule vom Training freigestellt wurde, ließ sich das miteinander vereinbaren. “Das war schon sehr anstrengend. Freizeit gab es praktisch nicht mehr”, sagt er heute. Rückblickend gibt er sogar zu, dass er an manchen Tagen die Ausbildung am liebsten abgebrochen hätte: “Der Sommer war besonders hart. Nach den intensiven Trainingseinheiten in der Vorbereitungszeit mehrere Stunden bei 30 Grad im Anzug in der Bank stehen zu müssen, ist eine Qual.” Doch es hat sich gelohnt: Nun hat er die ruhige Gewissheit, nach seiner Karriere in den Beruf zurückkehren zu können.

Handballstars und ihre Berufsausbildung 

Dominik Klein - Informatikkaufmann 

Adrian Pfahl - Maschinenbau-Techniker 

Holger Glandorf - Speditionskaufmann 

Patrick Wiencek - Gas- und Wasserinstallateur 

Christoph Theuerkauf - Gymnastiklehrer

Christian Zeitz - Reiseverkehrskaufmann 

Christian Schwarzer - Reiseverkehrskaufmann 

Pascal Hens - Büro-Kommunikationskaufmann 

Hennig Fritz - Groß- und Außenhandelskaufmann 

Oliver Roggisch - Groß- und Außenhandelskaufmann 

Michael Kraus - Bankkaufmann

Autor: Oliver Jensen
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