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Es war einmal beim Feldhandball...

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Es war einmal beim Feldhandball...Foto: © Rainer Sturm / PIXELIO
27.06.2013 - 16:03 Uhr

Feldhandball ist Mitte des 20. Jahrhunderts gleich hinter Fußball die zweitbeliebteste Sportart gewesen - mittlerweile ist diese Variante des Handballs in Vergessenheit geraten. 

Zwei Handballmannschaften laufen auf, 60.000 Zuschauer auf den Tribünen applaudieren begeistert. In der Gegenwart mögen solche Zuschauermassen utopisch erscheinen. Vor einigen Jahrzehnten sind sie Realität gewesen. Als der Handball draußen auf dem Großfeld stattfand und die Hallenvariante lediglich eine kleine Randerscheinung war, sind Zuschauerzahlen im hohen fünfstelligen Bereich eher die Regel als die Ausnahme gewesen. 1936, bei der Finalrunde der Olympischen Spiele in Berlin, strömten sogar 100.000 Menschen zum Feldhandball. 

Der Erfolg dieses Sports ist lange her, der Sport in Vergessenheit geraten. Viele Fans wissen heutzutage nicht einmal, dass früher auf dem Feld gespielt wurde. Die wichtigsten Grundregeln: Der Sportplatz und die beiden Tore waren genauso groß wie beim Fußball. Eine Mannschaft bestand aus elf Feldspielern (einem Auswechselspieler) sowie zwei Torleuten, die fliegend ausgewechselt wurden. Ein großer Unterschied zum Hallenhandball betraf die Prellregelung, da der Ball zwischen dem Prellen gefangen und anschließend weiter geprellt werden durfte. Aufgrund der Spielfeldgröße fielen deutlich weniger Tore als in der Halle. 

Bei Regen wurde Handball zum Glücksspiel 

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Es war einmal beim Feldhandball...Foto: © Rainer Sturm / PIXELIO

“Bei solchen Freilichtveranstaltungen herrschte eine ganz besondere Stimmung”, erinnert sich der frühere Nationaltorwart Manfred Hofmann. Auch er spielte vor zigtausend Zuschauern. “Das ließ sich mit dem Sport in der Halle überhaupt nicht vergleichen. Außerdem war es schön, an der frischen Luft zu sein.” Wobei der Feldhandball auch seine Schattenseiten hatte. Bei Regenwetter wurde aus dem Sport ein Glücksspiel. Der frühere Nationalspieler Josef Karrer erinnert sich: “Der Ball glitt einem durch die Hände und die Spieler rutschten aus. Es war nicht sonderlich angenehm, unter solchen Bedingungen zu spielen.” Trotzdem, da sind sich Karrer und Hofmann einig, haben sich die meisten Spieler gefreut, wenn es nach der Wintersaison in der Halle wieder auf das Großfeld ging. 

Der Untergang des Feldhandballs begann Anfang der 1970er Jahre. Mit dem Bau vieler Sporthallen gewann der Hallensport an Popularität. Viele Regeländerungen des Feldhandballs, zum Beispiel das Abseits oder die Drittelteilung, machten den Sport für den Zuschauer schwer nachzuvollziehen. Die Skandinavier waren die ersten, die sich komplett vom Feldhandball distanzierten. Manfred Hofmann erinnert sich: “Die Dänen und die Schweden mussten witterungsbedingt sehr häufig in der Halle trainieren. Deren Feldhandballsaison war viel kürzer als die der Konkurrenz. Als sie merkten, dass sie bei Großturnieren nicht mehr mithalten konnten, haben sie irgendwann einfach nicht mehr teilgenommen.” 

Dass der Feldhandball als deutscher Sport galt, sorgte in der Nachkriegszeit zudem für ein Image-Problem. Bei der letzten Weltmeisterschaft 1966 in Österreich nahmen nur noch sechs Mannschaften teil. Als der Hallenhandball 1972 erstmals in das Programm der Olympischen Sommerspiele aufgenommen wurde, war endgültig klar, dass die Zukunft des Sports in der Halle liegt. In Deutschland war die Spielzeit 1974/1975 die letzte offizielle Meisterschaftssaison des DHB. 

Ein Karriereknick für Verteidiger 

Das Ende des Feldhandballs ist für einige Spieler ein Karriereknick gewesen. “Für die Verteidiger war die Umstellung nicht ganz einfach, weil sie nun plötzlich auch im Angriff Leistung bringen mussten. Dabei beherrschten manche nicht einmal einen richtigen Sprungwurf”, erzählt Karrer. Langjährige Leistungsträger wurden plötzlich zu Dauerreservisten. 

Ganz aus der Welt ist der Feldhandball noch nicht. Zumindest als Spaßveranstaltung lebt der Sport weiter. Der Löwencup in Duisburg zählt mit rund 1.200 Teilnehmern zu einem der größten Feldhandballturniere Deutschlands. Versuche, Feldhandball als Leistungssport wieder zu etablieren, sind jedoch gescheitert. Ein Beispiel waren die DHB Feldhandball-Masters, die 2005 auf dem Gelände der TG 1875 Darmstadt ausgetragen wurden. “Der Deutsche Handballbund wollte den Sport wieder aufleben lassen”, erinnert sich der damalige Mitorganisator Malte Krömker. Man hoffte auf viele Teilnehmer, vor allem auch auf viele Zuschauer. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur fünf Teams aus der Region und eine Seniorenmannschaft aus Rheinland-Pfalz nahmen teil. Die Zuschauerzahl schätzt Krömker rückblickend auf 50 - Freunde und Familienmitglieder der Spieler mit eingerechnet. “Die meisten Menschen können mit diesem Sport nichts mehr anfangen”, lautet sein Fazit. 

Autor: Oliver Jensen
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