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Christian Dissinger: “In der Schweiz in Ruhe weiterentwickeln”

Christian Dissinger (hier noch im Trikot von Friesenheim)Zoom
Christian Dissinger (hier noch im Trikot von Friesenheim)Foto: Eibner-Pressefoto
03.08.2012 - 15:31 Uhr

Christian Dissinger ging einen ungewöhnlichen Weg. Nachdem der Rückraumspieler mit der TSG Friesenheim im Sommer 2011 abgestiegen war, wechselte er in die Schweiz zu Kadetten Schaffhausen. Mit Handball.de sprach der 20-Jährige über die Swiss Handball League, seinen Kreuzbandriss und über seine Ambitionen für die Nationalmannschaft. 

Herr Dissinger, vor einem Jahr sind Sie von der TSG Friesenheim zu Kadetten Schaffhausen in die Schweiz gewechselt. Wenn Sie zurückblicken: Welche Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz sind Ihnen zuallererst aufgefallen? 
Christian Dissinger: "Hier ist alles etwas kleiner. Wir haben weniger Zuschauer. Bei normalen Ligaspielen kommen 600 Menschen in die Halle, bei Playoff-Spielen 1.500. Auch vom spielerischen Niveau ist es nicht vergleichbar. Nur die ersten drei oder vier Mannschaften könnten vielleicht in der Bundesliga mithalten. Trotz allem habe ich mich hier schnell integriert." 

Warum sind Sie nach dem Abstieg der TSG Friesenheim überhaupt in die Schweiz gewechselt? Gab es keine Angebote aus der Bundesliga? 
Christian Dissinger: "Doch, ich hatte ein, zwei Angebote aus der Bundesliga. Das Konzept von Schaffhausen hat mich überzeugt. Es ist toll, international spielen zu können. Außerdem kann sich ein junger Spieler in der Schweiz gut und in Ruhe weiterentwickeln. In dieser Liga bin ich nicht jedes Spiel zu 100 Prozent gefordert. Man kann durchaus einmal mit 80 oder 90 Prozent spielen." 

Inwiefern unterscheidet sich das Spiel in der Schweiz von dem in Deutschland? 
Christian Dissinger: "Hier machen die Mannschaften mehr Fehler. Gerade in der Abwehr sind sie nicht so gut ausgebildet wie in Deutschland. Das betrifft zumindest die Mannschaften, die in der Tabelle nicht ganz vorne stehen. Die Leistungsunterschiede sind groß. Ein Spiel zwischen dem Tabellenführer und dem Tabellensiebten kann durchaus mit 20 Toren Unterschied ausgehen." 

Wie groß ist das öffentliche Interesse in der Schweiz am Handball? 
Christian Dissinger: "Natürlich kann jeder etwas mit Handball anfangen. Im öffentlichen Interesse steht unser Sport allerdings kaum. Dass GC Amicitia Zürich als Großstadtverein nicht mehr oben mitspielt, hat die Popularität vor einigen Jahren sinken lassen. Trotzdem sehe ich nun eine positive Entwicklung. Unser Einzug in das Achtelfinale der Champions League hat bewiesen, dass bei uns die Beliebtheit steigt. Die Halle war bei den Topspielen sogar ausverkauft (3.150 Zuschauer, Anm. d. Red.). Bei uns in Schaffhausen kennt jeder den Verein und die Liga. Thun ist ebenfalls eine Handball-Hochburg. In den anderen Städten ist es sicherlich schwieriger. Besonders in den Großstädten wie Basel oder Bern." 

Christian Dissinger (hier noch im Trikot von Friesenheim)Zoom
Christian Dissinger (hier noch im Trikot von Friesenheim)Foto: Eibner-Pressefoto

Werden Sie auf der Straße erkannt? 
Christian Dissinger: "Ich denke schon, dass wir Spieler erkannt werden. Aber wir werden nicht angesprochen. Die Schweizer sind eher zurückhaltend."

Kann man in der Schweiz gut vom Handball leben? 
Christian Dissinger: "Hier in Schaffhausen eher. In den meisten anderen Mannschaften gibt es vielleicht drei oder vier Vollprofis und ansonsten Halbprofis. Überhaupt ist es in der Schweiz nicht ganz einfach, von seinem Einkommen zu leben. Hier ist alles sehr teuer. Ich fahre extra nach Deutschland, um im Rahmen der erlaubten Mengen einkaufen zu gehen. In der Schweiz kostet alles dreimal so viel." 

Sie sind noch bis zum Jahre 2014 an Schaffhausen gebunden, könnten aber bereits 2013 aus dem Vertrag aussteigen. Möchten Sie danach in die Bundesliga zurückkehren?
 
Christian Dissinger: "Ganz ehrlich, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Natürlich könnte ich mir eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen. Genauso wäre es möglich, nach Frankreich oder Spanien zu gehen. Auch ein längerer Verbleib in der Schweiß ist nicht ausgeschlossen." 

Das dürfte sicherlich von der sportlichen Entwicklung von Schaffhausen abhängen. 
Christian Dissinger: "Ich warte erstmal dieses Jahr ab. Es wäre natürlich toll, könnten wir in der Champions League noch weiterkommen als in das Achtelfinale. Mit ein bisschen Losglück ist das möglich."  

Sie gehören zum erweiterten Kreis der Nationalmannschaft. Haben Sie keine Angst, dass Ihre Leistungen in der Schweiz zu wenig beachtet werden?
 
Christian Dissinger: "Überhaupt nicht. Aufgrund der Champions League bin ich häufiger im Fernsehen als einige Bundesligaspieler. Nicht alle kommen auf zehn übertragene Spiele im Jahr. Wenn ich meine Leistungen bringe, könnte man vielleicht im Oktober oder November über das Thema Nationalmannschaft sprechen. Ich hatte auch ein Gespräch mit Martin Heuberger und er sieht meine Entwicklung sehr positiv. Ich mache mir keinen Druck und lass alles auf mich zukommen."  

Im Oktober vergangenen Jahres erlitten Sie einen Kreuzbandriss und haben seitdem kein Ligaspiel bestritten. Wie geht es Ihnen momentan?
 
Christian Dissinger: "Für die letzten beiden Spiele der letzten Saison wäre ich bereits fit gewesen. Nur zur Sicherheit bin ich nicht eingesetzt worden. Seit dem 19. Juli, dem Trainingsbeginn unserer Mannschaft, trainiere ich wieder ganz normal mit. Ich habe noch kleinere Probleme mit der Patellasehne, die noch nicht zu 100 Prozent regeneriert ist. Auch spielerisch bin ich noch nicht ganz zufrieden. Gerade die Koordination und die Spielpraxis fehlt mir. Trotzdem sehe ich mich auf einem guten Weg." 

Letzte Frage: Sie gelten als eines der größten deutschen Talente ihres Alters. Lastet dadurch ein besonderer Druck auf Ihnen? 
Christian Dissinger: (überlegt) "Es hört sich natürlich schön an, ein Talent zu sein. Aber letztendlich muss ich das auf dem Platz zeigen. Ich empfinde es als Ehre, wenn man mich als großes Talent bezeichnet. Aber ich mache mir keine großen Gedanken darüber. Ich gehe meinen eigenen Weg und habe meine eigenen Ziele. Viele Talente sind bereits an sich selbst gescheitert. Das möchte ich vermeiden."

Autor: Oliver Jensen
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