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TV Neuhausen: Der Underdog der Bundesliga

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TVN-Shooter Marcel SchillerFoto: Pressefoto Eibner
29.06.2012 - 11:51 Uhr

Der TV Neuhausen, bis 2009 noch ein Drittligist, hat sensationell den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Mit einem Mini-Etat soll nun ein weiteres Handball-Wunder folgen: Der Klassenerhalt.  

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Grenzenloser Jubel nach dem Sieg in Saarlouis Magnus Becker und Ferdinand MichalikFoto: Pressefoto Eibner

Der 29. Mai wird für Magnus Becker immer ein besonderer Tag bleiben. Mit einem 27:29 (15:17) Auswärtssieg bei der HG Saarlouis sicherte sich der TV Neuhausen den Aufstieg in die Bundesliga. “Es war immer ein Traum, eines Tages bei den Großen mitzuspielen”, sagt der Torwart. “Man schaut auf die Uhr, es sind nur noch wenige Sekunden zu spielen und plötzlich ist der Traum Wirklichkeit.” Kaum ein Experte hätte dem Handballverein aus dem Metzinger Stadtteil Neuhausen an der Elms (Baden Württemberg) den dritten Tabellenplatz zugetraut. Die Verantwortlichen am allerwenigsten. “Unser Ziel war lediglich, uns in der eingleisigen Bundesliga zu etablieren”, so der Sportliche Leiter Steffen Weiß. Doch die Mannschaft setzte sich im oberen Tabellenviertel fest. “Bei uns gilt das Motto, einer für alle und alle für einen. Die Gemeinsamkeit, Emotionen und Leidenschaft machen unseren Verein aus”, führt Weiß fort. 

Kein Geld für Stars, viel Ehrenamt für die Jugend 

Steffen Weiß, Abteilungsleiter beim TV NeuhausenZoom
Steffen Weiß, Abteilungsleiter beim TV NeuhausenFoto: TV Neuhausen

TV Neuhausen hat nicht das große Geld, um Topspieler von anderen Vereinen zu verpflichten. Umso mehr liegt der Fokus auf der eigenen Jugend. Im Jahre 2009 wurde die A-Jugend sogar Deutscher Meister. “Wir achten sehr darauf, Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu fördern und in die erste Mannschaft zu bringen”, erklärt Weiß. Gemeinsam mit dem VfL Pullingen wurde eine Jugendspielgemeinschaft gegründet. Fünf Spieler des frischgebackenen Erstligisten stammen aus dem eigenen Nachwuchs: Ferdinand Michalik, Daniel Reusch, Marcel Schiller, Felix Klingler und Magnus Becker. Einige weitere Spieler kommen zumindest aus dem Umfeld von Neuhausen.

“Wir haben viele ehrenamtliche Helfer, die viel Arbeit in die Jugend investieren”, weiß Magnus Becker zu schätzen. Ambitionierte Spieler werden frühzeitig an die erste Mannschaft herangeführt. “Auch jetzt ist es so, dass einige Spieler aus der A-Jugend mehrmals wöchentlich bei uns mittrainieren”, fügt Becker hinzu. Diese Zusammengehörigkeit, die sich durch alle Abteilungen des Vereins zieht, ist laut Magnus Becker die große Stärke des TV Neuhausen. Das zeigt sich sogar im Freizeitleben. “Wir unternehmen öfter etwas zusammen. Bei der Fußball-Europameisterschaft haben wir uns zum Beispiel öfter getroffen und gemeinsam die Spiele geguckt”, so der Schlussmann. Trainer Markus Gaugisch fördert die harmonische Atmosphäre. “Er hat ein gutes und freundschaftliches Verhältnis zu seinen Spielern”, sagt Steffen Weiß. 

Bundesliga - Eine Mission Impossible? 

Gleich im ersten Jahr mit dem TVN aufgestiegen Andreas Schröder links und Nico...Zoom
Gleich im ersten Jahr mit dem TVN aufgestiegen Andreas Schröder links und Nico Büdel rechtsFoto: Pressefoto Eibner

Gemeinsamkeit hin, Jugendförderung her - In der Bundesliga erwartet dem TV Neuhausen eine fast aussichtslose Aufgabe. “Wir sind der krasse Außenseiter”, gibt Magnus Becker zu. Der Saisonetat lag zuletzt bei 600.000 Euro. Eine Summe, die bei Topvereinen ein einziger Spieler verdienen kann. “Ein wenig höher ist unser Etat jetzt schon”, sagt Steffen Weiß, ohne genaue Zahlen nennen zu wollen. Richtig ist aber, dass im Kader kein einziger Vollprofi steht. Alle sind berufstätig oder studieren. Rechtsaußen Alexander Trost hat zum Beispiel eine eigene Autovermietung und Marcel Schiller macht eine Ausbildung zum Physiotherapeuten. 

“Bisher haben wir einmal täglich am Abend trainiert. Nun sollen zwei Vormittagseinheiten hinzukommen. Besonders für die Berufstätigen wird es schwierig, dass mit dem Beruf zu vereinbaren”, glaubt Magnus Becker, der Geschichte und Deutsch auf Lehramt studiert. Gut möglich, dass die ein oder andere Trainingseinheit von vereinzelten Spielern kurzfristig abgesagt werden muss. Ohnehin wird niemand mit dem Sport reich. Es ist vielmehr ein Nebenverdienst. Manche Studenten jobben in der Bar oder im Call-Center, die Athleten von TV Neuhausen spielen eben Handball. 

Die Spieler freuen sich auf die Bundesliga. “Es wird sicherlich ein großes Erlebnis, in der Kieler Sparkassen Arena oder der Hamburger Colour Line Arena vor 10.000 Zuschauer zu spielen”, freut sich Magnus Becker. Sie wissen allerdings auch, dass sie in jedem Spiel der Underdog sind. Immerhin sind sie das aus dem letztjährigen DHB Pokal gewohnt: Im Achtelfinale siegte Neuhausen sensationell gegen Bundesligist Frisch Auf Göppingen mit 32:30 nach Verlängerung. Bei der SG Flensburg Handewitt war eine Runde später Endstation. Bei den Topvereinen wird eben doch auf einem anderen Niveau gespielt. 

Bye Bye Hofbühl-Hölle 

Ralf Bader - einer der Routiniers im TVN-TeamZoom
Ralf Bader - einer der Routiniers im TVN-TeamFoto: Pressefoto Eibner

Der TV Neuhausen lebt von der Euphorie. Die Menschen aus der Region identifizieren sich mit ihrem Verein. “Sie sind stolz auf uns”, sagt Magnus Becker, der die Nähe zu den Zuschauern zu schätzen weiß: “Nach dem Spiel trifft man sich im Foyer und trinkt gemeinsam mit den Fans etwas. Auch auf der Straße werden wir häufig angesprochen und unterhalten uns gerne über das bevorstehende Spiel.” Die Fans wissen die Bodenbeständigkeit ihrer Stars zu schätzen. Bei jedem Heimspiel strömten sie in die Hofbühlhalle und machten ordentlich Stimmung. “Daher sprach man irgendwann von der Hofbühl-Hölle”, erklärt Steffen Weiß. 

In der kommenden Saison werden in dieser Halle keine Spiele stattfinden. Mit einer Kapazität von 1.500 Zuschauern gilt sie als bundesliga-untauglich. Die logische Folge: Die Heimspiele werden in der 20 Kilometer entfernten Paul-Horn-Arena (Kapazität: 2.400) ausgetragen. “Anfangs hielten wir das für einen Nachteil, weil wir sehr heimstark waren”, führt Steffen Weiß fort. “Mittlerweile sehen wir die Vorteile. Die Halle ist größer und wir können der Mannschaft und den Spielern mehr bieten.” Überhaupt rechnet er damit, dass die meisten Fans die kleine Anfahrt auf sich nehmen. “Der Dauerkartenverkauf läuft gut. Wir haben bereits weit über 700 Dauerkarten verkauft. Insgesamt rechnen wir mit über 1.000.” Gleich das erste Heimspiel wird ein echter Knaller: Der TV Neuhausen empfängt laut Rahmenspielplan am 1. September die Füchse Berlin. Wer weiß: Vielleicht gibt es dann bereits ein kleines Handball-Wunder...

Autor: Oliver Jensen
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