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Isabell Klein: Die Verletzungspause war nicht negativ

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Isabell KleinFoto: Eibner-Pressefoto
17.10.2012 - 17:49 Uhr

Wegen eines Kreuzbandrisses im linken Knie musste Isabell Klein fast sieben Monate pausieren. Erst in der vergangenen Woche gab die Spielführerin der Nationalmannschaft ihr Comeback. Handball.de Mitarbeiter Oliver Jensen sprach mit der 28-jährigen Rückraumspielerin über ihre Verletzungspause, die Ambitionen des Buxtehuder SV und ihre Ehe mit Nationalspieler Dominik Klein. 

Handball.de: Frau Klein, wie fühlt es sich an, wieder auf dem Feld zu stehen?
Klein: “Es macht wieder großen Spaß. Handball ist meine Leidenschaft. Natürlich fehlen mir noch die letzten Prozentpunkte Athletik, um zum Beispiel bei Überzahl in die Lücke zu kommen. Aber das ist ganz normal.” 

Handball.de: Wann werden Sie wieder so stark sein wie vor der Verletzung?
Klein: “Darüber mache ich mir keine Gedanken. Natürlich möchte ich so schnell wie möglich gut Handball spielen. Glücklicherweise lief bereits das erste Spiel erstaunlich gut.”

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Isabell KleinFoto: Eibner-Pressefoto

Handball.de: Sie arbeiten neben dem Handball in Teilzeit bei einem Knieprothesen-Hersteller im Controlling. Ist es während einer Verletzungspause positiv, dadurch abgelenkt zu sein?
Klein:
 “Ich empfinde das Arbeiten grundsätzlich als sehr positiv. Es ist eine gute Ablenkung, auch etwas für meinen Kopf zu tun. Überhaupt sind mir die sechseinhalb Monate nicht negativ vorgekommen. Die Zeit ist verrannt.” 

Handball.de: So etwas hört man von einer Sportlerin selten.
Klein:
 “Ich hatte ein volles Tagesprogramm. Erst vier Stunden Reha, später noch fünf bis sechs Stunden Arbeit. Es war anstrengender und zeitintensiver als wenn ich am normalen Trainingsbetrieb teilnehme. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass es Schlimmeres im Leben gibt. Ich darf ein halbes Jahr keinen Handball spielen. Andere Menschen können nicht laufen oder haben andere Behinderungen. Von daher will ich nicht rumheulen.” 

Handball.de: In der vergangenen Saison scheiterte der Buxtehuder SV nur knapp im Finale. Nun führt Ihr die Tabelle an, habt sogar Leipzig besiegt. Zählt ihr zu den Meisterschaftsfavoriten?
Klein:
 “Es war natürlich schon beeindruckend, wie wir das Spiel gegen Leipzig für uns entschieden haben. Unsere Mannschaft hat einen unglaublichen Charakter und wir kämpfen füreinander. Dafür wurden wir belohnt. Aber Favorit? So etwas lässt sich schwer voraussagen. Im Playoff-System kommt es vor allem auf die Tagesform an. Und niemand weiß, wer die bessere Form und weniger Verletzte haben wird. Leipzig, Thüringen, Erfurt und auch Oldenburg, die spielerisch sehr stark sind, zählen ebenso zu den Meisterschaftsanwärtern.” 

Handball.de: Können Sie nach ihrer langen Auszeit gleich wieder eine Führungsrolle einnehmen?
Klein:
 “Weil bei uns derzeit vier Stammspielerinnen fehlen, bin ich natürlich wieder voll dabei. Wenn man früher eine Mannschaft verbal angeführt hat, macht man das nach der Rückkehr sofort wieder.” 

Handball.de: Sie sprechen das Verletzungspech an: Leistungsträgerinnen wie Josephine Techert, Katja Langkeit und Randy Bülau fehlen. Ist der Kader breit genug aufgestellt, um das zu kompensieren? 
Klein:
 “Ein gutes Beispiel war das Spiel gegen Blomberg, als die Stammkräfte allesamt ausfielen. Die Spielerinnen, die reinkamen, haben das super gemacht und Blomberg aus der Halle geschossen. Genau das zeichnet unsere Mannschaft aus. Wir stehen zusammen, geben Gas, haben Spaß am Handball und verstehen uns untereinander super.” 

Handball.de: Aber die Belastung wird in den nächsten Wochen groß sein.
Klein:
 “Das stimmt. Wir haben 13 Spiele in 6 Wochen. In dieser Phase könnte der Kader etwas zu klein sein, weil wir nicht die benötigten Pausen bekommen. Das wird eine anstrengende Phase. Man hat zum Beispiel Mittwochabend ein Spiel, kommt Donnerstagmorgen um sieben Uhr nach Hause und geht direkt zur Arbeit. Am Abend ein Lauftraining, Freitag ein kleines Training und Samstag sowie Montag finden direkt die nächsten Spiele statt.” 

Handball.de: Der Buxtehuder SV war die letzten Jahre oft vorne mit dabei. Warum hat es bisher nicht für die Meisterschaft gereicht?
Klein:
 “Als ich 2007 hierherkam, hatte die Mannschaft gerade so eben den Klassenerhalt geschafft. Das darf man nicht vergessen. Seitdem ging es permanent bergauf. Wenn man sich unseren Kader oder unser Etat anschaut, würde man uns vermutlich eh nicht zu den Favoritinnen zählen. Andere Mannschaften stehen mehr in der Pflicht. Für uns ist entscheidend, dass wir jedes Jahr handballerisch ein Stück vorankommen.”

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Isabell KleinFoto: Eibner-Pressefoto

Handball.de: Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Hat sich das öffentliche Interesse am Frauen-Handball verändert?
Klein:
 “Ich kann es nur bei den Vereinen beurteilen, für die ich gespielt habe. Bereits in Bensheim war eine positive Entwicklung festzustellen. Die Medien haben immer mehr über uns berichtet. Und in Buxtehude geht es ebenfalls gut voran. Das Internet-Fernsehen, wo unsere Spiele übertragen werden, ist sehr gut angekommen. Auch die großen Fernsehsender und Zeitungen nehmen uns wahr.” 

Handball.de: Aber…?
Klein:
 “Es ist natürlich eine Frage des Erfolges. Wir bräuchten Erfolge mit der Nationalmannschaft, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.” 

Handball.de: Gehen Sie davon aus, bei der Handball-Europameisterschaft wieder dabei zu sein?
Klein:
 “Ich stehe mit dem Bundestrainer in einem guten Kontakt. Aber auch ich werde mich nun, wie jede Spielerin, in den nächsten sechs Wochen beweisen müssen.” 

Handball.de: Was stimmt Sie positiv, dass es eine erfolgreiche EM wird?
Klein:
 “In den Vereinen zeigen wir, wozu wir in der Lage sind. Leider konnten wir das international bisher nicht abrufen. Trotzdem: In der Mannschaft steckt viel Talent und Potential. Die letzten Jahre haben uns nur gelehrt, dass wir uns keine allzu hohen Ziele setzen sollten. Daher möchte ich auch keinen bestimmten Platz vorgeben. Wir müssen uns darauf konzentrieren, guten Handball zu spielen. 

Handball.de: Grit Jurack sagte im Interview mit Handball.de, dass im Ausland oftmals auf einem höheren Niveau als in Deutschland gespielt wird. Würden Sie das bestätigen?
Klein:
 „Sicherlich wird im Ausland teilweise ein schnellerer Handball gespielt. Zudem machen wir in Deutschland noch zu viele technische Fehler. Von daher liegt sie nicht ganz falsch.“ 

Handball.de: Können Sie sich vorstellen, ins Ausland zu gehen?
Klein:
 "Ich möchte nichts ausschließen. Es würde mich reizen, eine neue Sprache und neue Kultur kennenzulernen. Andererseits fühle ich mich in Buxtehude sehr wohl." 

Handball.de: Während die männlichen Handballer sich voll auf den Sport konzentrieren können, sind fast alle Handballerinnen nebenbei berufstätig. Ist das nicht ungerecht?
Klein: 
“Die Frage wird häufig gestellt. Ich beschäftige mich damit nicht. Als Betriebswirtin weiß ich: Wo die Nachfrage größer ist, fließen auch mehr Gelder. Letztendlich hat alles seine Vor- und Nachteile. Natürlich ist es manchmal stressig, Handball und Beruf unter einen Hut zu bringen. Besonders wenn man viele Spiele hat, zum Beispiel durch die Champions League.” 

Handball.de: Und was ist der Vorteil?
Klein:
 “Durch die Arbeit bin ich freier im Kopf. Ich muss mir nach drei schlechten Spielen keine Sorgen machen, dass vielleicht bald mein Einkommen wegfällt. Schließlich habe ich mein zweites Standbein. Außerdem ist es positiv, durch die Arbeit Ablenkung vom Sport zu haben und andere Menschen kennenzulernen.” 

Handball.de: Sie sind seit Juli 2009 mit Dominik Klein vom THW Kiel verheiratet. Ist es positiv, wenn beide Partner Handball spielen?
Klein:
 “Es ist ein Vorteil, dass wir viel Verständnis füreinander haben. Andere Menschen würden vielleicht nicht verstehen, dass man sich voll auf den Sport konzentriert und sich dadurch seltener sieht. Positiv ist auch, dass wir eine ähnliche Handball-Philosophie haben. Wir können gemeinsam Spiele analysieren und zum Beispiel über die Taktik sprechen. Er ist dabei ein sehr positiver und ich bin ein sehr sachlicher Mensch. ” 

Handball.de: Trainiert ihr manchmal zusammen?
Klein:
 “Es kommt schon einmal vor, dass er bei unserem Training vorbeischaut und die gegnerischen Spielerinnen imitiert. Auch ich bin manchmal beim THW dabei, zum Beispiel wenn alle gemeinsam ins Fitness-Studio gehen.” 

Handball.de: Interessiert er sich für Frauen-Handball?
Klein:
 Das behauptet er jedenfalls (grinst). Nein, er ist wirklich sehr interessiert und weiß über unseren Spielplan immer bestens Bescheid. Er verfolgt die Spiele im Internet und kommentiert sogar manchmal. 

Handball.de: Frau Klein, wir bedanken uns für das nette Gespräch.

Autor: Oliver Jensen
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