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Interview mit Klaus Feldmann (Methodik-Kommission der EHF): "Den einen Handball gibt es nicht mehr"

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v.l.n.r. Dr. Jaime Sperberg von der Deutschen Botschaft in Amman, Dr. Sari Hamdan Präsident der Jordan Handball Federation, Dr. Taiysir Mansi von der Universität Amman und Klaus Feldmann.Quelle: Matthias Kornes - Privat
08.12.2016 - 09:58 Uhr

Beim 25. Kongress der Europäischen Handball Föderation in St. Wolfgang konnte der DHB drei Kandidaten erfolgreich platzieren: neben Mark Schober (Nation-Board) und Jutta Ehrmann-Wolf (Controller) wurde Klaus Feldmann in die Methodik-Kommission der EHF gewählt. Grund genug, mit Feldmann, der schon viele Jahre als Lektor für IHF, EHF und DOSB tätig ist, ein Interview zu führen.

 

Herzlichen Glückwunsch zur neuen Funktion! Haben Sie mit der erfolgreichen Wahl gerechnet?

Klaus Feldmann: Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, daß Wahlen nicht immer so ausgehen, wie es zuvor prognostiziert wird. Und in der Sportpolitik hat der DHB gerade auf europäischer Ebene auch schon Überraschungen erlebt, so daß ich - zumal bis zum Kongressbeginn vier Nation einen Vertreter nominiert hatten - das Ergebnis als absolut offen angesehen habe. Nachdem dann der spanische Verband seinen Kandidaten zurückgezogen hat und der Vertreter aus Georgien aus formalen Gründen nicht antreten konnte, kam es nur noch zur Abstimmung zwischen Alexandru Acsinte aus Rumänien und mir. Die Deutlichkeit des Ergebnisses (38:10) hat mich dann doch überrascht.

 

Wie sah denn Ihr Wahlkampf aus?

Klaus Feldmann: Einerseits haben sich mit Sicherheit die Nominierung durch den DHB-Vorstand und der Einsatz von DHB-Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld positiv ausgewirkt. Andererseits kann ich eine Vielzahl von Einsätzen für die EHF über einen langen Zeitraum vorweisen, die zu einer gewissen Bekanntheit in den anderen europäischen Nationen geführt hat. Ohne diese langfristige Vorarbeit wäre das Ergebnis der Wahl so nicht zustande gekommen.

 

Sie sind als Mitglied mit dem Aufgabenbereich "Jugend-, Schul- und Breitensport" in die Methodikkommission gewählt worden. Wie sieht Ihr Aufgabenbereich aus, was wird sich an Ihrer bisherigen Arbeit ändern?

Klaus Feldmann: Diese Frage kann ich erst nach der ersten MC-Sitzung beantworten; aber ich kann z.B. Erfahrungen aus mehreren "Handball@School"-Projekten der IHF einbringen sowie aus einem langen Zeitraum in der Arbeit mit der Rahmentrainingskonzeption des DHB, die übrigens international sehr geschätzt wird. In den vergangenen Jahren hat sich schon viel für mich geändert: Seit ich Anfang 2014 die Aufgabe als Landestrainer von Rheinland-Pfalz abgegeben habe, bin ich sehr viel unterwegs: 2014 waren es 11 Einsätze im Ausland, 2015 dann 13 und in 2016 schon 16 Reisen. Die Kurse gehen über unterschiedliche Zeiträume: mal nur zwei Tage oder bis zu sechs Wochen lang. Zuletzt war ich im November für den DOSB in einem Kurzzeitprojekt in Jordanien tätig (siehe Foto im Anhang). Auch für 2017 sind die ersten Projekte schon geplant; im Januar geht es für drei Wochen zur Männer-WM nach Frankreich und für den Februar steht Handball@School in Gambia sowie eine persönliche Einladung nach Japan im Kalender.

 

Wird man Sie in Deutschland dann nicht mehr sehen?

Klaus Feldmann: Doch, denn ich möchte auch weiterhin bei großen und kleinen Veranstaltungen den Kontakt zur Basis nicht verlieren. Einerseits war ich im Oktober beispielsweise vier Wochen in Deutschland auf Tour und habe dabei in Camps und Schulungen in insgesamt acht verschiedenen Landesverbänden des DHB gearbeitet. Diese Kontakte sind mir sehr wichtig - genauso wie die in andere Länder in Europa oder in die anderen Erdteile. Andererseits habe ich in 2015 u.a. bei drei Weltmeisterschaften als Analyst für die IHF gearbeitet und insgesamt ca. 250 Spiele auf hohem Niveau beobachtet. Das verändert auch den Blickwinkel.

 

Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie Ihre vielfältigen Eindrücke aus den vergangenen drei Jahren Revue passieren lassen?

Klaus Feldmann: Der Handball entwickelt sich - und das muss er auch. Die Konsequenz daraus ist, dass es den "einen" Handball nicht mehr gibt. Das Regelwerk hat dieses Prozess schon eingeleitet, denn es gibt Unterschiede zwischen dem Spitzensport und dem Wettkampf-Handball, der das klassische Bild unserer Sportart in Deutschland prägt (16 oder 14 Spieler / 3 oder 2 Time-Outs / 15 oder 10 Minuten Halbzeitpause / 3 Angriffe Pause für verletzte Spieler oder nicht). Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Prozess der Ausdifferenzierung sich fortsetzt und dann irgendwann die Frage gestellt werden wird, ob verschiedene Regelwerke für unterschiedliche Ebenen benötigt werden. Auch die Bemühungen, Beach-Handball olympisch zu machen, gehen in diese Richtung. Die IHF versucht generell, im Spitzenbereich unattraktive und gefährliche Elemente wie Trikot ziehen, Stoßen in der Luft oder Klammern und kontinuierliches Halten zu eliminieren. Und für den Handball in der Schule (insbesondere der Grundschule) oder auch, um unseren Sport für Kinder mit Migrationshintergrund attraktiv zu machen, brauchen wir eine Spielkultur, die sich vom tradierten Image abhebt.

 

Und wo wird die Reise im sportlichen Bereich hingehen?

Klaus Feldmann: Da hat mich am meisten die Renaissance des russischen Frauenhandballs überrascht. Schon bei der WM 2015 war insbesondere in der Abwehr der Russinnen ein extrem hohes Maß an Variabilität und Flexibilität zu beobachten. In Rio wurde das Team dann ungeschlagen Olympiasieger und im Sommer hatte ich das Vergnügen, die weibliche Jugendnationalmannschaft bei der WM in der Slowakei, die sie absolut dominiert hat, mit der gleichen Spielphilosophie zu sehen.

Insgesamt gesehen haben viele Nationen im athletischen und technischen Bereich inzwischen ein sehr hohes Niveau, dass sich von den europäischen Teams nur wenig unterscheidet. Und gerade im Bereich Athletik ist "noch mehr" nicht gleichbedeutend mit "noch besser". Im Handball werden optimale athletische Voraussetzungen benötigt - aber nicht maximale. Deutliche Entwicklungen lassen sich zukünftig aus meiner Sicht deshalb in erster Linie auf der spieltaktischen Ebene erreichen. Die neue Stil der Russinnen zeigt dies in der Abwehr eindeutig auf und dagegen werden nur Teams bestehen können, die gerade im Bereich der individuellen Spielfähigkeit gut ausgebildet sind.

Die Spielfähigkeit wird aber nicht verbessert, wenn Diskussion unter Trainern darüber geführt werden, ob ein- oder beidbeinige Kniebeugen besser sind. Und dazu braucht es im Training auch keine 1gegen1-Aktionen gegen Stangen, Kastenoberteile oder aufgeblasene Gummipuppen. Handball muss als komplexes Problemlösungsspiel vermittelt wird, anstatt nach der Zergliederungsmethode alle Bestandteile des Spiels isoliert zu trainieren und darauf zu hoffen, dass sich dann im Wettkampf die geschulten Elemente wie von Geisterhand perfekt zusammenfügen.

 

 

Quelle: Matthias Kornes - ballgewinn.de
Autor: Handball.de
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