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Interview mit Christian Sprdlik (Interims-Geschäftsführer TBV Lemgo)

“Die Marke TBV Lemgo ist angekratzt, aber wir bekommen das wieder hin”

Christian Sprdlik (Interims-Geschäftsführer TBV Lemgo)
Christian Sprdlik (Interims-Geschäftsführer TBV Lemgo)Foto: TBV Lemgo
22.09.2012 - 10:17 Uhr

Beim TBV Lemgo herrscht Unruhe. Der Verein stellte gegen den bisherigen Manager Volker Zerbe Strafanzeige wegen Bereicherung. Gegen den Geschäftsführer Fynn Holpert, der von seinen Aufgaben im Verein entbunden wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft laut Spiegel-Online wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und des versuchten Betrugs. 

Christian Sprdlik, bislang Geschäftsführer der Handball Lemgo Spielbetriebs GmbH, wurde zum Interims-Geschäftsführer ernannt. Der 33-Jährige sprach mit Handball.de Mitarbeiter Oliver Jensen über die brisante Situation im Verein. 

Handball.de: Herr Sprdlik, ist das nun für einen jungen Interimsgeschäftsführer der schlechteste Zeitpunkt, um in diese Aufgabe hineinzuwachsen? 

Sprdlik: “Sicherlich ist es eine sehr schwierige und turbulente Zeit. Aber wann ist schon der richtige Zeitpunkt? Ich bin ein alter Lemgoer, kenne Land und Leute. Es muss mit dem Verein weitergehen.” 

Handball.de: Wie reagiert das Umfeld in Lemgo darauf, dass einer Ikone des Vereins vorgeworfen wird, sich am Verein bereichert zu haben? 

Sprdlik: “Die Stimmung ist unruhig, die Menschen reden sehr viel. Lemgo ist eine kleine Stadt, wo man sich untereinander kennt. Erfreulich ist aber, dass die Fans eine positive Einstellung an den Tag legen. Das war beim letzten Heimspiel gegen TV Großwallstadt festzustellen. Es herrschte eine Jetzt-erst-recht-Mentalität. Wir haben eine gute Fankultur. Die Anhänger drehen dem TBV nicht den Rücken zu. Genau wie in der Ehe gilt das Motto: In guten wie in schlechten Zeiten halten wir zusammen. Momentan haben wir ebenhalt eine schlechte Phase.” 

Handball.de: Beim letzten Heimspiel hatten Sie nur 3.692 Zuschauer. Das war eine der schlechtesten Besucherzahlen der letzten Jahre. 

Sprdlik: “Das Spiel fand an einem Sonntag um 15 Uhr statt, als hervorragendes Wetter herrschte. Es ist ganz normal, dass viele Menschen den vielleicht letzten Sommertag im Garten verbringen möchten. Ich würde das nicht auf die derzeitige Situation zurückführen.” 

Handball.de: Trotzdem: Haben Sie Angst, dass der Verein besonders außerhalb von Lemgo an Ansehen verliert? 

Sprdlik: “Wenn der Spiegel, die Financial Times und sämtliche Medien negativ über uns berichten, ist das sicherlich kein Vorteil. Die Marke TBV Lemgo ist angekratzt. Aber wir werden das wieder hinbekommen. Der TBV Lemgo ist ein großer Verein. Man muss sich nur unsere Chronik mit all den Erfolgen anschauen. Das ist sehr motivierend. Daher sage ich noch einmal: Es gibt schlechte Zeiten, wir haben aktuell sogar eine besonders schlechte Zeit, aber wir werden die Marke wieder aufpolieren.” 

Handball.de: Im Sommer haben einige Spieler auf Teile Ihres Gehalts verzichtet, um den Verein vor dem Konkurs zu retten. Eine eventuelle Bereicherung in der Vereinsführung könnte Unmut auslösen. Glauben Sie, dass das schwebende Verfahren einen schlechten Einfluss auf die Spieler hat?  

Sprdlik: “Für die Spieler ist das nicht angenehm. Ganz egal wo sie hinkommen, sie werden nicht nach den sportlichen Aspekten sondern nach dem Verfahren gefragt. Dabei können die Spieler am wenigsten dafür. Aber ich finde, dass sie das bisher gut weggesteckt haben. Gerade beim letzten Heimspiel war Ehrgeiz und Leidenschaft zu sehen. Die Spieler spielen gerne für diesen Verein. Das ist ein ganz entscheidender Faktor." 

Handball.de: Sind die nächsten Wochen und die nächsten Spiele nun richtungsweisend?

 Sprdlik: “Mit jedem Sieg kommt mehr Ruhe hinein. Auf der anderen Seite könnte das Thema mit jeder Niederlage weiter an Brisanz gewinnen. Wir wissen um die Wichtigkeit dieser Spiele.” 

Handball.de: Die nächsten Gegner sind die HSG Wetzlar, die Rhein-Neckar Löwen, der SC Magdeburg und die SG Flensburg Handewitt. Nur gegen Magdeburg findet ein Heimspiel statt, alle anderen Duelle sind auswärts. Kommen diese schweren Aufgaben zum ungünstigsten Zeitpunkt? 

Sprdlik: “Das könnte man so sagen. Es sind sehr schwere Aufgaben. Aber auf den Spielplan haben wir keinen Einfluss.” 

Handball.de: Wäre es eine Option, dass Sie dauerhaft als Geschäftsführer des TBV Lemgo tätig werden oder ist das nur eine vorübergehende Lösung? 

Sprdlik: “Für mich wäre es durchaus eine Option, diese Position langfristig einzunehmen. Ich bin ein alter Lemgoer. Es war immer mein Traum, für einen Bundesligisten zu arbeiten. Deswegen habe ich diesen Beruf gelernt (er ist gelernter Sportfachwirt, Anm.d.Red.). Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, gerade für den Verein tätig zu sein, in dessen Umgebung ich aufgewachsen bin. Ich übe das Amt nun mit voller Leidenschaft aus und werde so arbeiten, als wäre ich ein unbefristeter Geschäftsführer. Ob es weitergeht oder nicht, wird sich mit der Zeit zeigen. Letztendlich hängt das auch von dem Erfolg meiner Arbeit ab.” 

Handball.de: Kurzfristig werden Sie erst einmal Ruhe in den Verein bringen müssen. Welche Ziele haben Sie mittel- und langfristig? Kann der TBV Lemgo vielleicht wieder dauerhaft um die internationalen Plätze mitspielen? 

Sprdlik: “Von solchen Gedanken bin ich weit entfernt. Wie Sie bereits sagten, müssen wir erst einmal Ruhe in den Verein bringen. Das heißt: Wir brauchen sportlichen Erfolg, dürfen auf keinen Fall in die Abstiegszone geraten. Außerdem müssen wir für eine finanzielle Ruhe sorgen. Die negative Presse ist für unsere Sponsoren nicht erfreulich. Ich als Interimsgeschäftsführer muss die Sponsoren davon überzeugen, uns die Stange zu halten. Es wird wieder bessere Zeiten geben. Und genau das müssen wir vermitteln.” 

Handball.de: Der TBV Lemgo hat viele junge deutsche Spieler. Ist das ein langfristiges Konzept oder lediglich aus den derzeit mangelnden finanziellen Möglichkeiten geboren? 

Sprdlik: “Das ist unser langfristiges Konzept. Mit Finn Lemke und Arjen Haenen haben wir zwei junge Spieler, die von der zweiten Mannschaft aus den Sprung in die Bundesliga geschafft haben. Mit Marcel Niemeyer und Julian Possehl stehen weitere in der Pipeline. Auch unsere A-, B-, und C-Jugend spielen in den höchsten Spielklassen. Darauf werden wir weiterhin bauen.” 

Autor: Oliver Jensen
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