Startseite » Interviews & Reportagen » Insolvenzen - Wenn Handballvereinen das Geld ausgeht

Insolvenzen - Wenn Handballvereinen das Geld ausgeht

Der Frankfurter HC spielt nun in der 3. Liga Frauen OstZoom
Der Frankfurter HC spielt nun in der 3. Liga Frauen OstFoto: Eibner-Pressefoto
24.02.2014 - 00:10 Uhr

Spielergehälter, Personalkosten, Hallenmiete, Reisekosten - der Betrieb eines professionellen Handballvereins ist teuer. Nicht immer gelingt es der Vereinsführung, all diese Kosten wieder einzuspielen. Auch in der jüngeren Vergangenheit gingen bei einigen Clubs die Lichter aus. HANDBALL.DE analysiert drei Insolvenzen der letzten Jahre. 

Die Spielerinnen des Bundesligisten Frankfurter HC steckten mitten in der Saisonvorbereitung, als sie die Hiobsbotschaft ereilte. Am 2. Juli 2013 gab die Vereinsführung die Beantragung eines Insolvenzverfahrens öffentlich bekannt. Der Schock war groß. "Sicherlich wussten wir Spielerinnen um die Situation des Vereins“, sagte Nationalspielerin Christine Beier in ihrer ersten Stellungsnahme. „Uns wurde aber versichert, dass die neue Saison nicht in Gefahr sei. Und dann kam gestern kurz vor Saisonstart diese Nachricht.“ Dass der Deutsche Meister aus dem Jahre 2004 in finanziellen Schwierigkeiten steckte, war längst kein Geheimnis mehr. Bereits in den Jahren zuvor konnte der Verein nur mit großen Anstrengungen den Saison-Etat auf die Beine stellen. 2013 war das nicht mehr möglich. Laut Medienberichten hatte die Forderung einer öffentlichen Behörde in Höhe von rund 100.000 Euro den Verein endgültig in die Knie gezwungen. Insgesamt betrugen die Schulden laut Informationen von RBB-Online mehrere hunderttausend Euro. 

Als Folge der Insolvenz wurde das Bundesligateam aufgelöst, alle Vertragsspielerinnen sind entlassen worden. Der Spielbetrieb ging mit dem ehemaligen Juniorenteam in der 3. Liga und den Jugendmannschaften weiter. Im Februar diesen Jahres stimmten die 20 Gläubiger dem Insolvenzplan zu. Dadurch erhalten sie zumindest einen Teil ihrer Forderung. Präsident Uwe Bohm hatte allen Grund zum Aufatmen. Schließlich hätte bei einem Scheitern die Liquidation (sprich: die Zerschlagung des Vereins) gedroht. Nun steht erst einmal ein stabiler Spielbetrieb in der dritthöchsten Spielklasse im Vordergrund. Ein Wiederaufstieg ist zunächst kein Thema und ohnehin erst im Sommer 2015 wieder gestattet. 

DHC Rheinland: Spieler erfuhren von der Insolvenz aus der Presse 

Das ehemalige Team des DHC Rheinland in einer AuszeitZoom
Das ehemalige Team des DHC Rheinland in einer AuszeitFoto: Eibner-Pressefoto

Auch der DHC Rheinland war in den letzten Jahren von finanziellen Problemen gebeutelt. Zunächst half noch der Hauptsponsor Bayer aus. Im Sommer 2010 zog sich das Pharmaunternehmen jedoch zurück. Nach der Ausgliederung des Profivereins erfolgte die Umbenennung von TSV Bayer Dormagen in den Dormager Handball-Club Rheinland (kurz: DHC Rheinland). Bereits im Februar 2011 wurde die ganze Handball-Nation von der Meldung erschüttert, dass der Verein Insolvenz anmelden muss. Wegen eines Sponsorenausfalls war der Saisonetat von rund 1,6 Millionen Euro nicht mehr zu stemmen. Das Insolvenzverfahren war schnell abgewickelt, sodass der Verein immerhin die Lizenz für die 2. Liga erhielt. 

Überhaupt schien der DHC wirtschaftlich auf einem gutem Weg zu sein. Für Sommer 2012 war eine Spielgemeinschaft mit der HSG Düsseldorf unter dem Namen DDHC Rheinland angedacht. Doch bereits im März 2012 zog der DHC Rheinland aufgrund erneut finanzieller Probleme den Lizenzantrag für die Saison 2012/2013 zurück. Dass der Geschäftsführer Heinz Lieven diese Entscheidung traf, ohne die Spieler zuvor in Kenntnis zu setzen, löste bei den Akteuren Unverständnis aus. „Man ist von einer positiven Situation ausgegangen, so wie es auch intern und extern kommuniziert wurde“, sagte Michiel Lochtenbergh gegenüber Center TV. „Plötzlich gibt es eine Insolvenzanmeldung, in der niemand involviert war und wofür keiner die Hintergründe weiß.“ Die Spieler erfuhren lediglich über die Presse von der erneuten Zahlungsunfähigkeit. „Ich fühle mich verraten und verkauft“, lautete die Unmutäußerung von Rückraumspieler Michael Hegemann . Lieven verteidigte seine Entscheidung. „Als Mitgesellschafter kann und will ich die finanzielle Situation - wie in der Vergangenheit - nicht weiter privat auffangen“, erklärte er auf der Vereinshomepage. Der DHC tritt seit der Spielzeit 2012/2013 wieder als TSV Bayer Dormagen in der 3. Liga an. 

TUSEM Essen: Das Stehaufmännchen

TUSEM Essen spielt aktuell in der 2. BundesligaZoom
TUSEM Essen spielt aktuell in der 2. BundesligaFoto: Eibner-Pressefoto

Auch der Traditionsverein TUSEM Essen erlebte zwei Insolvenzen innerhalb weniger Jahre. Zur Saison 2005/2006 zahlte ein griechischer Sponsor die vertraglich zugesicherten Gelder nicht. Nach 26 Jahren ununterbrochener Bundesligazugehörigkeit, in denen es drei Deutsche Meisterschaften zu feiern gab, ging es hinunter in die Regionalliga. Zwar gelang den Essenern bereits 2007 die Rückkehr in die Erstklassigkeit. Allzu lange freuen konnte sich darüber allerdings niemand. Nachdem in der ersten Saison per Relegation noch der Klassenerhalt gelang, wurde im Oktober 2008 bekannt, dass der Verein erneut Insolvenz anmelden muss. Schulden von insgesamt 1,5 Millionen Euro hatten sich angehäuft. Eine Million davon waren kurzfristige Verbindlichkeiten. Der monatliche Fehlbetrag soll damals bei rund 100.000 Euro gelegen haben. 

Laut Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann war TUSEM Essen ein Paradebeispiel dafür, wie Handballvereine nach dem abebbenden Boom der Handball-WM 2007 in eine Kostenspirale geraten können. 2012 gelang die Rückkehr in die Bundesliga, ein Jahr später ging es zurück in die 2. Liga. Unter dem neuen Trainer Mark Dragunski wurde in der laufenden Spielzeit das obere Tabellendrittel als Ziel ausgegeben. Sogar der Wiederaufstieg ist nicht ausgeschlossen. Nach zwei Insolvenzen und drei Abstiegen in den letzten achteinhalb Jahren hat der Verein bewiesen, dass man ihn niemals abschreiben darf. 

Autor: Oliver Jensen
Diesen Beitrag im Forum diskutieren



Der Handball.de Vereinsrabatt

Zurück