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Grit Jurack: “Es wird einige Tränen geben”

Grit JurackZoom
Grit JurackFoto: Pressefoto Eibner
04.10.2012 - 21:51 Uhr

Grit Jurack ist eine Frau der Rekorde. 305 Länderspiele hat sie für die deutsche Nationalmannschaft bestritten, dabei 1579 Tore erzielt - beides sind Bestmarken. Die letzten acht Jahre spielte sie in Dänemark beim Viborg HK. Eine letzte Saison wollte die 34-Jährige noch aktiv sein. Doch ein Knorpelschaden zwang sie dazu, bereits jetzt ihre Karriere zu beenden. Am 7. Oktober findet in Leipzig, wo sie insgesamt neun Jahre spielte, ihr Abschiedsspiel zwischen Deutschland und Tschechien statt. 

Handball.de Mitarbeiter Oliver Jensen sprach mit Grit Jurack über ihren Abschied, ihre Karriere und die Situation im deutschen Frauen-Handball. 

Handball.de: Frau Jurack, was bedeutet Ihnen Ihr Abschiedsspiel in Ihrer Geburtsstadt Leipzig? 
Jurack:
 Ich glaube, dass es ein schöner Abschied wird. Es ist toll, noch einmal mit den Mädels zusammenzuspielen, mit denen ich für die Nationalmannschaft jahrelang aktiv war. Es ist natürlich etwas Besonderes, dass dieses Spiel in Leipzig stattfindet. Hier hat meine Karriere begonnen." 

Handball.de: Im welchem Umfang können Sie trotz Ihres Knorpelschadens überhaupt spielen? 
Jurack:
 "Der Knorpelschaden wird wegen diesem einen Spiel sicherlich nicht schlimmer. Ich kann nur nicht richtig werfen. Aber das muss man unserem Gegner ja nicht verraten (lacht)." 

Handball.de: Sind Sie ein emotionaler Mensch, der bei dem Abschiedsspiel vermutlich die ein oder andere Träne verdrücken wird? 
Jurack:
 “Ich bin wirklich etwas nahe am Wasser gebaut. Einige Tränen wird es mit Sicherheit geben." 

Handball.de: Ursprünglich wollten Sie noch eine Saison spielen. Nun hat Ihr Körper Sie dazu gezwungen, bereits jetzt aufzuhören. Haben Sie die Enttäuschung darüber bereits verarbeitet? 
Jurack: "Das Gute ist, dass ich einen Job gefunden, der mich von dieser Enttäuschung ablenkt. Unabhängig davon versuche ich, weiterhin in Form zu bleiben und gehe zum Beispiel regelmäßig laufen." 

Handball.de: Was ist das für ein Job? 
Jurack:
 "Ich arbeite in der Ökonomie-Abteilung eines Wohnbauunternehmens. Mieten buchen und Budgetierungen zählen zu meinen Aufgaben. Langfristig würde ich gerne etwas im Sportmanagement machen. Ich habe das schließlich in Leipzig studiert. Im nächsten Jahr werden wir zurück nach Deutschland ziehen. Dann würde ich gerne dem Sport erhalten bleiben. Nicht unbedingt als Trainerin, aber im Management oder im Marketing. Vielleicht in einem Verein, vielleicht auch beim DHB." 

Handball.de: Warum möchten Sie keine Trainerin werden? 
Jurack:
 "Es würde mir zu sehr wehtun, eigentlich selber mitspielen zu wollen, aber das nicht mehr zu können." 

Handball.de: Ihre professionelle Laufbahn begann im Jahre 1993 beim HC Leipzig. Wenn Sie auf Ihre knapp 20-jährige Laufbahn zurückblicken: Woran denken Sie besonders gerne? 
Jurack:
 "Die Olympischen Spiele 1996 und 2008 sind mir in bester Erinnerung geblieben. Damit meine ich nicht unbedingt das sportliche Abschneiden. Es war einfach nur toll, bei diesen Ereignissen dabei zu sein. Auch die beiden Bronze-Medaillen bei den Weltmeisterschaften waren super. Als die größten Erfolge würde ich allerdings die drei Champions League Siege mit Viborg bezeichnen. Einmal haben wir sogar das Dribble gewonnen." 

Handball.de: Sie sind Rekordnationalspielerin und fünfmalige Handballerin des Jahres. Als Mann wären Sie in Deutschland sehr berühmt. Sind Sie enttäuscht, als Frau weniger Aufmerksamkeit zu bekommen? 
Jurack:
 "Ich muss nicht jeden Tag in der Zeitung stehen. Es ist einfach nur schön, wenn die eigene Leistung anerkannt wird. In Dänemark habe ich das glücklicherweise erlebt. Frauenhandball ist hier viel populärer. Auf der Straße werde ich häufig erkannt. Rund 70 Prozent aller Dänen kennen meinen Namen. In Deutschland ist mein Name vielleicht 7 Prozent aller Deutschen bekannt, wenn überhaupt." 

Handball.de: Warum ist der Frauen-Handball in Dänemark populärer als in Deutschland? 
Jurack:
 "Die Frauen-Nationalmannschaft hat 1996, 2000 und 2004 die Olympischen Spiele gewonnen. Die Popularität hat auf die dänische Liga abgefärbt. Zumal viele starke ausländische Spielerinnen nach Dänemark gegangen sind. Es ist immer das Gleiche: Ist der Erfolg vorhanden, kommen die Zuschauer, die Medien und das Geld." 

Handball.de: In Deutschland ist das leider nicht geschehen.  
Jurack:
 "Genau, die ganze öffentliche Aufmerksamkeit fokussiert sich auf den Fußball. Viele andere Sportarten haben nicht die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Das betrifft auch den Frauen-Handball. Nur in vereinzelten Städten, wie zum Beispiel Leipzig, Buxtehude und Oldenburg, bekommen die Damen eine gewisse Aufmerksamkeit." 

Handball.de: Was muss geschehen, damit Frauen-Handball in ganz Deutschland populärer wird? 
Jurack:
 "Frauen-Handball ist ein Nischensport. Weitere Zuschauer lassen sich meist nur durch Fernsehübertragungen gewinnen. Genau daran fehlt es in Deutschland. In Viborg hatten wir zuletzt 20 Übertragungen pro Saison. Dadurch waren wir den Menschen bekannt. In Deutschland muss man sich bereits glücklich schätzen, fünf Minuten im Dritten Programm gezeigt zu werden. Wir bräuchten die Chance, uns einem größeren Publikum zu präsentieren. Ich sage immer: Wenn Frauen-Handball den Dänen gefällt, warum nicht auch den Deutschen?" 

Handball.de: Haben Sie Hoffnung auf eine bessere Zukunft für den Frauen-Handball? 
Jurack:
 "Ich könnte mir vorstellen, dass die Weltmeisterschaft 2017 einen positiven Einfluss haben wird. Bei den Männern hat das 2007 ebenfalls funktioniert." 

Handball.de: Die Grundvoraussetzung für eine steigende Popularität ist der Erfolg. Glauben Sie, dass die Nationalmannschaft nach der enttäuschenden Weltmeisterschaft in Brasilien nun bei der Europameisterschaft besser abschneidet? 
Jurack:
 "Auf jeden Fall. Wenn ich mir die Spielerinnen und das Trainerteam ansehe, entdecke ich viel Potential. Leider wurde das zuletzt nicht ausgeschöpft. Uns fehlt die Kontinuität. Unsere Fähigkeiten blitzen nur vereinzelt auf, zum Beispiel beim Sieg gegen Norwegen." 

Handball.de: Woran liegt das? 
Jurack:
 "Ich denke, dass unsere Liga nicht stark genug ist. Die Torschützen haben es in Deutschland zu einfach. Sie wundern sich, wenn international auf einem ganz anderen Niveau gespielt wird. Gerade die Torfrauen sind im Ausland sehr stark." 

Handball.de: Heißt das im Umkehrschluss, dass starke deutsche Spielerinnen den Sprung in das Ausland wagen sollten, um sich sportlich weiterzuentwickeln? 
Jurack:
 "Das wäre eine Möglichkeit. Oder man müsste die deutsche Liga attraktiver machen und gute Spielerinnen verpflichten. Dafür bräuchte man Sponsoren. Und die kommen nur, wenn der Sport in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen wird."

Autor: Oliver Jensen
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