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Exklusiv-Interview mit Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen): “Ich mache mir Sorgen”

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Uwe GensheimerFoto: Eibner-Pressefoto
13.12.2013 - 12:16 Uhr

Uwe Gensheimer (27) spricht im exklusiven HANDBALL.DE-Interview mit Mitarbeiter Oliver Jensen über seine Vertragsverlängerung bei den Löwen, sinkende Zuschauerzahlen und die schwierige Situation der Deutschen Nationalmannschaft. 

HANDBALL.DE: Herr Gensheimer, trotz vieler lukrativer Angebote anderer Vereine haben Sie sich für eine Vertragsverlängerung bei den Löwen bis 2016 entschieden. Hatten Sie keine Lust auf einen Wohnortwechsel? 
Gensheimer: “Es waren mehrere Aspekte entscheidend. Ich möchte sportlich auf höchstem Niveau spielen. Die Mannschaft hat sich die letzten Jahre stark entwickelt. Auch viele andere Leistungsträger haben ihren Vertrag verlängert. Wir verstehen uns im Team alle sehr gut. Das geht über das übliche Arbeitsverhältnis hinaus.” 

HANDBALL.DE: Aber Sie werden sich mit der Option eines Vereinswechsels doch zumindest befasst haben.
Gensheimer: “Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, ob ich mich in einem anderen Umfeld beweisen möchte. Gemeinsam mit meiner Freundin habe ich schließlich die Entscheidung getroffen, bei den Rhein-Neckar Löwen zu bleiben. Zumal ich hier aufgrund meiner Historie und als Kapitän eine andere Rolle innehabe als es bei einem anderen Verein der Fall gewesen wäre.” 

HANDBALL.DE: Das Geld dürfte bei Ihren Überlegungen ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Gensheimer: “Natürlich ist das für einen Profisportler wichtig. Aber das war im Endeffekt hier ähnlich wie bei anderen Clubs.” 

HANDBALL.DE: Sie sollen auch Angebote aus dem Ausland gehabt haben, unter anderem vom FC Barcelona. Hat das Ausland an Attraktivität verloren?
Gensheimer: “Viele Vereine im Ausland müssen mittlerweile sparen. Die Bundesliga ist sicherlich attraktiver. Der Wegfall von Atletico Madrid hat der spanischen Liga nicht gut getan. Außerdem spielt man dort teilweise nur vor 500 Zuschauern. Auch sportlich ist das nicht die große Herausforderung. Nichtsdestotrotz ist Barcelona ein stark besetzter Verein, der um den Champions-League-Titel mitspielen wird.” 

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Uwe GensheimerFoto: Eibner-Pressefoto

HANDBALL.DE: In Deutschland sorgen vermeintlich “kleine Vereine” wie Hannover-Burgdorf und Melsungen für Furore. Ist die Bundesliga enger zusammengerückt? 
Gensheimer: “Das ist mit Sicherheit so. Wie gesagt: Die spanische Liga hat nicht mehr die wirtschaftliche Kraft. Viele Spieler von dort suchen eine neue Herausforderung und kommen in die deutsche, französische oder dänische Liga. Dadurch hat unsere Liga an Qualität gewonnen. Nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite.” 

HANDBALL.DE: Viele Vereine wie Hamburg und Berlin haben einen Zuschauerschwund zu vermelden. Auch die Zahlen der Löwen hinken noch hinter denen des Vorjahrs zurück. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Sports?
Gensheimer: “Natürlich mache ich mir darüber Gedanken und Sorgen. Die Liga ist so spannend wie lange nicht mehr. Ich hoffe, dass auch entsprechend viele Zuschauer kommen. Vielleicht muss der Sport noch besser vermarktet und kommuniziert werden. Außerdem ist es wichtig, dass wir mit der Nationalmannschaft erfolgreich sind.” 

HANDBALL.DE: Wird der Sport also nur unzureichend vermarktet?
Gensheimer: “Vielen Menschen ist nicht klar, wie schnell und spannend unser Sport ist. Fußball wird immer die Nummer 1 sein. Wir müssen uns als Mannschaftssportart Nummer 2 etablieren.” 

HANDBALL.DE: Warum ist das so schwierig? 
Gensheimer: “Der Handball kommt aus den Regionen und vom Land. Erst in den letzten Jahren hat es vermehrt den Schritt in die Metropolen mit den großen Arenen gegeben. Da steckt noch viel Potential. Wirtschaftlich war es jedenfalls der richtige Schritt, den Handball in den Großstädten zu positionieren. Mit den tollen Arenen können die Vereine potentiellen Sponsoren viel mehr bieten.” 

HANDBALL.DE: Nicht nur einige Vereine, sondern auch die Nationalmannschaft hat mit einem gewissen Zuschauerschwund zu kämpfen. Der Sieg des Supercups in Hamburg wurde vor nur rund 4.000 Zuschauern gefeiert. 13.000 Menschen hätten in die Halle gepasst. Waren Sie von den leeren Rängen überrascht? 
Gensheimer: “Was heißt überrascht? Wir haben bei der WM in Spanien ein gutes Turnier abgeliefert. Danach wurde positiv über den Handball berichtet. Das Interesse war groß. Wenige Monate später verpassten wir die Qualifikation für die Europameisterschaft. Schon war alles wieder schlecht.” 

HANDBALL.DE: Eine verpasste Europameisterschaft ist für den deutschen Handball ein Desaster. 
Gensheimer: “Natürlich. Aber im Handball geht es sehr eng zu. Ein gutes Beispiel ist Schweden. Im vergangenen Jahr haben sie die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Spanien verpasst. Nur zwei Monate später gewannen sie bei den Olympischen Spielen Silber.” 

HANDBALL.DE: Was schließen Sie daraus für den deutschen Handball?
Gensheimer: “Wir haben den Anspruch, uns für jedes Großturnier zu qualifizieren. Ansonsten müssen wir uns hinterfragen. Aber das Beispiel zeigt, wie schnell es im Handball gehen kann.” 

HANDBALL.DE: Der Deutsche Handballbund hat mit Bernhard Bauer und Bob Hanning eine neue Führung. Haben Sie bereits Veränderungen festgestellt?
Gensheimer: “Es wurde einiges hinterfragt. Das Präsidium hat sich bei uns vorgestellt und seine Gedanken vorgetragen. Kleine Veränderungen im Umfeld der Mannschaft hat es bereits gegeben. Außerdem bekamen wir den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2019 gemeinsam mit Dänemark. Dieser tolle Schritt ist auch auf das neue Präsidium zurückzuführen. Für uns steht nun aber erstmal eine erfolgreiche WM-Qualifikation im Vordergrund.”

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Uwe GensheimerFoto: Eibner-Pressefoto

HANDBALL.DE: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass der Weltmeister von 2007 nun bei der Europameisterschaft zuschauen muss?
Gensheimer: “Wir haben es nach 2007 einfach nicht mehr geschafft, mit der nötigen Konstanz die Leistung in der Nationalmannschaft abzurufen. Das Dilemma ist, dass man sich nur alle zwei Monate für ein paar Tage trifft. Der Handball lebt von den Automatismen. Es ist nicht einfach, sich gut einzuspielen.” 

HANDBALL.DE: Dazu passt, dass Bundestrainer Martin Heuberger sagt, die Nationalmannschaft wäre meist erfolgreich gewesen, wenn ausreichend Vorbereitungszeit zur Verfügung stand. 
Gensheimer: “Ja, natürlich. Wir brauchen Zeit, um uns einzuspielen. Andererseits haben andere Nationalmannschaften meist die gleiche Vorbereitungszeit.” 

HANDBALL.DE: Ein häufig diskutiertes Thema ist auch die hohe Spielbelastung. Glauben Sie, dass sich daran jemals etwas ändern wird?
Gensheimer: “Es gibt viele unterschiedliche Interessen vom Deutschen Handballbund, der Liga, dem europäischen Verband und dem Weltverband. Das fängt bereits beim Spielplan an, der seit vielen Jahren nicht einheitlich ist. Bei den unterschiedlichen Interessen der europäischen Ligen ist das schwierig. Für die Mannschaften außerhalb von Deutschland ist die Champions League das Highlight. Daher bevorzugen diese Nationen Champions-League-Spiele am Wochenende. In Deutschland steht die Bundesliga im Vordergrund. Für unsere Vereine ist es besser, wenn die Bundesligaspiele am Wochenende und die Champions-League-Spiele unter der Woche stattfinden. Und das ist nur einer von vielen Interessenkonflikten. Ich glaube schon, dass es Bemühungen gibt, die Spielbelastung zu reduzieren. Aber die Umsetzung ist schwierig.” 

HANDBALL.DE: Der ungleichmäßige Spielplan ist auch für die Zuschauer teilweise schwer nachzuvollziehen. 
Gensheimer: “Richtig. Wenn eine Mannschaft zwei Spiele mehr hat als die anderen, verzerrt das die Tabelle. Außenstehende kommen da kaum noch mit.” 

HANDBALL.DE: Letzte Frage: Der DHB hat den Pokal reformiert. Die erste Runde des Hauptwettbewerbes wird zukünftig in 16 Turnieren mit jeweils vier Mannschaften im Final-Four-Modus ausgetragen. Wie ist Ihre Meinung dazu? 
Gensheimer: “In der Vergangenheit ist der Handballsport mit den Final-Four-Turnieren gut gefahren - ob nun in der Champions League in Köln oder im Pokal in Hamburg oder auch beim EHF-Cup. Das sind tolle Events für den Handball. Ich halte das jedenfalls für einen guten Schritt.”

Autor: Oliver Jensen
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