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Exklusiv-Interview mit Ronald Klein (Bundesliga-Schiedsrichter): "Die beste Leistung hat der Schiedsrichter erbracht, wenn er überhaupt keine Erwähnung findet"

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Bundesliga-Schiedsrichter Ronald KleinFoto: Eibner-Pressefoto
18.01.2014 - 14:22 Uhr

Im exklusiven HANDBALL.DE-Interview spricht Ronald Klein (35) über schwierige Entscheidungen, die Zusammenarbeit eines Schiedsrichtergespanns und die Anfeindungen von Zuschauern. 

HANDBALL.DE: Herr Klein, warum sind Sie Schiedsrichter geworden?
Ronald Klein: “Ich habe früher selber Handball gespielt. In der B-Jugend bekamen wir keine ganze Mannschaft zusammen, sodass wir nicht am Ligabetrieb teilnehmen konnten. Einige Mannschaftskameraden machten den Schiedsrichterschein und berichteten mir sehr positiv davon. Also habe ich das mit 16 Jahren auch probiert.” 

HANDBALL.DE: Wann wurden die Weichen für den Profihandball gelegt?
Ronald Klein: “Im Jahre 2002, damals war ich 24 Jahre alt, kam ich in den DHB-Nachwuchskader und hatte die ersten Einsätze in der 2. Liga. Der Weg in die Bundesliga ist etwas Besonderes, der allerdings auch Geduld und an anderen Stellen im Leben wie Beruf oder Privatleben Verzicht bedeutet.” 

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Bundesliga-Schiedsrichter Ronald KleinFoto: Eibner-Pressefoto

HANDBALL.DE: Besonders in den unteren deutschen Ligen herrscht ein Schiedsrichtermangel. Zwar werden jährlich rund 2.000 Schiedsrichter ausgebildet. Etwa 60 Prozent davon hören innerhalb des ersten Jahres allerdings wieder auf. Wie erklären Sie sich das? 
Ronald Klein: “Viele sind noch sehr jung, wenn sie ihren Schiedsrichterschein machen. Meist zwischen 14 und 18 Jahren. In diesem Alter gibt es mit der Schule und der Ausbildung eine ganze Menge persönlicher Veränderungen, sodass viele mit ihrem Hobby wieder aufhören. Ein weiteres Problem war zumindest zu meiner Zeit, dass junge Schiedsrichter nicht sorgfältig betreut wurden. Man bekam die ersten Spielleitungen in der Kreisklasse und wurde mit vielen Meckereien konfrontiert. So etwas führt zu Frust.” 

HANDBALL.DE: Hat sich die Betreuung mittlerweile gebessert? 
Ronald Klein: “Ja, die Schiedsrichter werden in den Landesverbänden nun meist langsamer herangeführt. Sie pfeifen zunächst meist nur Jugendspiele und werden von einem Mentor begleitet. Es ist nicht förderlich, wenn junge Schiedsrichter völlig alleine zu einem Spiel fahren und frustriert wieder zurückkehren.” 

HANDBALL.DE: Auch Jugendspiele sollen für Schiedsrichter schwierig zu leiten sein.
Ronald Klein: “Das ist richtig. Wenn bei einem Jugendspiel oder in der Kreisliga nur fünf Leute im Publikum sitzen, bekommt man jede einzelne Äußerung mit. Das ist in der Bundesliga manchmal sogar etwas einfacher, weil bei einer Fehlentscheidung nur ein Pfeifkonzert wahrzunehmen ist.” 

HANDBALL.DE: Haben auch Sie schon einmal richtig schlechte Erfahrungen gemacht?
Ronald Klein: “Natürlich sind manche Spiele nicht sonderlich gut gelaufen. Aber wir haben im Handball keine Zustände wie teilweise beim Fußball. Ich musste nie Angst um meine Gesundheit haben, wurde niemals körperlich angegriffen.” 

HANDBALL.DE: Trotzdem ist es sicherlich nicht einfach, nach einer Entscheidung von teilweise 10.000 Menschen ausgepfiffen zu werden. Wie lernt man damit umzugehen? 
Ronald Klein: “Auch wir sind nur Menschen und nehmen das wahr. Junge Schiedsrichter können bei ihrem ersten Einsatz in der Bundesliga damit durchaus eine Halbzeit zu kämpfen haben. Aber mit der Zeit gewinnt man Erfahrung und Routine, um den Überblick zu behalten.” 

HANDBALL.DE: Wie beurteilen Sie das Verhalten von Trainern und Spielern gegenüber den Schiedsrichtern? 
Ronald Klein: “Sicherlich wird man ein wenig ausgetestet. Wir müssen letztendlich vorgeben, was wir mit uns machen lassen. Wir wollen durchaus Kommunikation mit Spielern und Trainern. Ein nettes Wort und ein Lächeln gehört dazu. Aber es ist wichtig, die Autorität aufrecht zu erhalten.” 

HANDBALL.DE: Bei Pressekonferenzen nach den Spielen sind die Schiedsrichterleistungen häufig ein Thema. Meist hat ein Trainer etwas auszusetzen. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Ronald Klein: “Tatsächlich habe ich es zum Beginn der Saison so empfunden, dass Schiedsrichter häufig ein Thema in den Medien waren. Das ist natürlich schade. Die beste Leistung hat der Schiedsrichter erbracht, wenn er überhaupt keine Erwähnung findet.” 

HANDBALL.DE: Kürzlich gab es noch die Regel, dass die am Spiel beteiligten Personen sich 48 Stunden nach dem Spiel nicht über den Schiedsrichter äußern dürfen. Ist es bedauerlich, dass es diesen Schutz nicht mehr gibt? 
Ronald Klein: “Diese Regel war nie der Wunsch der Schiedsrichter. Ich kenne niemanden, der die Abschaffung dieser Regel bedauert. So lange die Kritik sachlich bleibt, ist das in Ordnung. Es würde allerdings keinem Trainer oder Spieler schaden, eine Nacht darüber zu schlafen und sich das Spiel noch einmal anzuschauen, bevor kritische Äußerungen gemacht werden." 

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Bundesliga-Schiedsrichter Ronald KleinFoto: Eibner-Pressefoto

HANDBALL.DE: Themawechsel: Wer hat bei einem Schiedsrichtergespann in welchen Situationen die Entscheidungsmacht? 
Ronald Klein: “Es gibt klare Aufgabenbereiche. Zum Beispiel sollte der Torschiedsrichter primär für das Geschehen am Kreis zuständig sein und unter anderem Siebenmeter-Entscheidungen treffen. Der Feldschiedsrichter achtet mehr auf die ballgebundenen Aktionen im Rückraum. Natürlich gibt es manchmal Überschneidungen. Es darf nicht passieren, dass die Schiedsrichter in entgegengesetzte Richtungen pfeifen.” 

HANDBALL.DE: Und wenn das doch passiert? 
Ronald Klein: “Das Regelwerk besagt, dass die Schiedsrichter bei einer unterschiedlichen Entscheidung nach Timeout und kurzer Absprache eine gemeinsame Entscheidung zu treffen haben.” 

HANDBALL.DE: Wie einigen sich die beiden Schiedsrichter, wenn sie die Situation anders gesehen haben? 
Ronald Klein: “Meist sagt einer “Vertraue mir” oder “Ich habe es wirklich klar gesehen”. Es gab in meiner Karriere noch nie eine Diskussion von mehr als fünf Sekunden. Man wäre kein gutes Gespann, bräuchte man eine Minute Beratungspause, weil beide Recht haben wollen.” 

HANDBALL.DE: Eine kritische Entscheidung ist oftmals das Zeitspiel. Gelegentlich wird darüber diskutiert, ob es wie im Basketball eine Shot Clock geben sollte. Wie ist Ihre Meinung? 
Ronald Klein: “Das Passive Spiel zählt sicherlich zu den schwierigsten Entscheidungen, weil es vom subjektiven Empfinden der Schiedsrichter abhängt. Aber Handball bleibt Handball. Es würde den Sport zu sehr ändern, die Shot Clock aus dem Basketball zu übernehmen. Klarere Entscheidungskriterien für Schiedsrichter wären allerdings hilfreich. 

HANDBALL.DE: Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, wann Sie den Arm heben?
Ronald Klein: “Laut Regelwerk muss ich das machen, wenn kein erkennbarer Druck auf das Tor zu erkennen ist. Trotzdem bleibt es eine subjektive Bauchentscheidung. Auch die Zuschauer versuchen das zu beeinflussen. Zum Glück haben wir in der Bundesliga die Möglichkeit, uns über das Headset abzustimmen. Manchmal sagt der eine, er würde nun gerne den Arm heben, doch der andere möchte noch einen kurzen Moment warten.” 

HANDBALL.DE: Welche Entscheidungen sind außerdem noch schwer zu treffen? 
Ronald Klein: “Die Entscheidungen in der letzten Minute sind schwierig. Disqualifikationen mit Bericht auszusprechen, über Wurfverhinderungen oder normale Abstandsvergehen zu entscheiden - das alles in einer sehr hitzigen Situation - ist nicht einfach.” 

HANDBALL.DE: Schauen Sie sich das Spiel später noch einmal an, um Ihre Entscheidungen zu analysieren? 
Ronald Klein: “Die Schlüsselszenen schon. Wir haben über eine Datenbank Zugriff auf alle Videoaufzeichnungen der Spiele.” 

HANDBALL.DE: Wir werden Sie als Schiedsrichter vom DHB betreut?
Ronald Klein: “Wir haben zum Beispiel Videoanalysen, Lehrgänge, Stützpunkttraining und Fitnesstests. Das deutsche Schiedsrichterwesen ist sehr professionell aufgestellt.” 

Autor: Oliver Jensen
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