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Eine Herausforderung am "Kap der Guten Hoffnung" - zunächst eine Reise ins Ungewisse

Leonie Schweinsteiger mit Kindern in SüdafrikaZoom
Leonie Schweinsteiger mit Kindern in SüdafrikaFoto: Leonie Schweinsteiger
13.10.2014 - 19:18 Uhr

Leonie Schweinsteigers Leidenschaft führt sie sogar ins weit entfernte Südafrika. In einem Land, in dem Handball nahezu unbekannt ist, zaubert sie genau damit zahlreichen Kindern ein Lächeln ins Gesicht.

Es hört sich zunächst recht einfach an. Es geht darum, Handball zu unterrichten. Vor allem für Leonie Schweinsteiger eigentlich kein Problem. Wenn sie etwas liebt, dann Handball. Es ist ihr Sport, dafür lebt sie. Wie gesagt, alles kein Problem. Eigentlich. Über 9000 Kilometer weiter südlich sieht das ganz anders aus. Das weiß die 19-jährige ganz genau.

Wir sind in Swellendam, einer Kleinstadt in Südafrika mit knapp 20.000 Einwohnern, östlich von Kapstadt gelegen. Hier ist momentan Leonies zu Hause. Seit Ende Juli ist diese fremde Welt ihre Welt, eine in der Handball keine Vergangenheit hat. Entsprechend ihr erster Gedanke dort: „Wie soll ich das bloß schaffen?“ Doch exakt darin liegt ihr Ansporn. Die Rückraumspielerin der „Isis“ will zeigen, dass sie trotz schwierigen Bedingungen etwas erreichen kann. Es geht darum, Schulkinder im Alter von 9 bis 14 Jahre im Fach Handball zu unterrichten und damit zugleich deren Selbstbewusstsein zu stärken. „Es soll eine offene Gesellschaft geschaffen werden ohne kulturelle, geschlechtliche und rassischen Grenzen um bestimmte Barrieren zu durchbrechen und zu bekämpfen“, erzählt die junge Frau. Solche wie Arroganz, Respektlosigkeit oder Gewalt.

Handballfeld in SüdafrikaZoom
Handballfeld in SüdafrikaFoto: Leonie Schweinsteiger

Sie arbeitet für drei Organisationen, die sich genau damit befassen. Eine heißt „Play Handball“ und ist quasi noch jungfräulich. Leonie ist eine der ersten vier Volontäre dort überhaupt. Unterstützung erhält „Play Handball“ durch den Kooperationspartner „Score“. Diese Organisation existiert schon seit 1991 und arbeitet mit Volontären aus 22 Ländern zusammen. Das Motto lautet: „Changing lives through sport“. Ziel ist es, in Südafrika Kinder und Jugendliche durch Sport zu „retten“, ihnen so Perspektiven und Strukturen für das Leben zu geben und vor Kriminalität, Straßengewalt sowie Drogenkonsum zu schützen. „Die Kinder sollen weg von den Straßen und lernen, in definierten Gruppen Verantwortung zu übernehmen, Solidarität zu zeigen und Rücksicht zu nehmen“ gibt Schweinsteiger zu verstehen. „Weiterhin möchte ich ihnen durch Handball spielen Werte verinnerlichen. Werte wie Zusammenhalt, Ehrgeiz, Verlässlichkeit oder Spaß am Sport.“ Durch das ganze Programm wird versucht, die Entwicklung zu fördern. „Mein persönliches Fazit ist, dass damit gleich in der 1. Klasse, also im Alter von 6 Jahren, angefangen werden muss und nicht erst mit 9. Viele Kinder haben da schon dramatische Erlebnisse hinter sich, wodurch es schwer fällt, sie zu unterstützen.“

Die dritte Organisation nennt sich „Community Action Partnership“ (CAP). Diese nimmt körperlich und geistig behinderte Erwachsene genauso auf, wie heimatlose. „Hier werden diese Menschen den ganzen Tag beschäftigt und fühlen sich somit eben auch als Teil der Gesellschaft. Eine extrem große Herausforderung. Denn ich muss mich auf jeden einzelnen besonders konzentrieren und ein individuelles Trainings- und Bewegungsprogramm starten“, berichtet die Studentin, die sich bewusst für die Arbeit mit diesen Organisationen entschieden hat. Schließlich ist es nicht nur eine wertvolle, persönliche Erfahrung, sondern auch im Studium von elementarer Bedeutung. Dieses Engagement wird als Fachpraktikum anerkannt.

Abseits dieser Aufgaben lernt die 19-jährige auch den Alltag in Südafrika kennen. Und der ist auf keinen Fall vergleichbar mit dem gewohnten Leben in Deutschland. „Es ist anders, viel gelassener, unstrukturierter und spontaner“, beschreibt sie. Wenn etwas für 9 Uhr geplant ist kann es durchaus sein, dass es letztendlich um 12 Uhr stattfindet. „Oft ist es hier schön und lustig, aber manchmal auch eben genau durch solche Vorfälle total anstrengend und nervenaufreibend.“ Glücklicherweise hat Schweinsteiger Leute gefunden und getroffen, die sie immer unterstützen, ihr zur Seite stehen, wichtige Tipps geben. Wie Leonies Gastfamilie, die großen Anteil daran hat, dass ihre Zeit in Südafrika unvergessen bleiben wird. „Sie haben mich sofort als weiteres Familienmitglied aufgenommen neben den beiden Jungs und dem großen Hund“ freut sich die Dame. „Sie behandeln mich mit Respekt, Liebe und unheimlicher Offenheit. Das ist sowieso einer der stärksten Eindrücke für mich. Da können wir uns in Deutschland eine ganz dicke Scheibe davon abschneiden.“

Eigentlich hätte Leonie aber in einem Township leben sollen, also in einer Wohnsiedlung für die schwarze, farbige oder indische Bevölkerung. Erst war sie enttäuscht, weil sich niemand fand um sie aufzunehmen, bzw. keiner die von den Organisationen gestellten Voraussetzungen erfüllen konnte. Diese sind zum Beispiel ein eigenes Zimmer und dreimal täglich essen. Im Nachhinein ist sie aber nun froh darüber, dass es so gekommen ist. „Nachdem, was ich so mitbekommen habe ist das dortige Leben beiderseitig von Frustration, Missverständnissen und Angst begleitet. All die Überfälle und Gewaltausbrüche, davor habe ich größten Respekt. Es ist sehr gefährlich, abends alleine vor die Tür zu gehen aufgrund der ganzen Bedrohungen, Bekämpfungen, Überfälle und Vergewaltigungen.“

Handball prellen in SüdafrikaZoom
Handball prellen in SüdafrikaFoto: Leonie Schweinsteiger

Nun, wo langsam aber sicher die Zeit in dem weit entfernten Land zu Ende geht, stellt sich auch die Wehmut ein. Denn die Arbeit macht Schweinsteiger sehr viel Spaß, vor allem, da auch immer mehr die Erfolge zu sehen sind. „Allmählich begreifen die Kinder, wie Handball funktioniert. Sie wollen lernen, diesen Sport verstehen, ihn spielen“ gerät sie ins Schwärmen. „Anders als in den Wochen zuvor wollen sie mich nachmittags nicht mehr gehen lassen. Sie würden dgerne den ganzen Tag mit Handball verbringen. Es ist auch sehr schön zu sehen, dass die Werte, die ich ihnen versuche zu vermitteln, schon in das schulische Leben übernehmen. Das ist einfach wunderbar, wie sie ihre Freude daran gefunden haben. Das habe ich mir zum Ziel gesetzt und ist mein schönstes Erlebnis. Nun will ich auch noch ein Turnier auf die Beine stellen, an dem mehrere Mannschaften teilnehmen.“ 

Anfang November erfolgt die Rückreise nach Deutschland. Natürlich freut sich das Mitglied der TSV-Familie extrem, wieder in ihr heimisches, gewohntes Leben zurückzukehren. Und auch darauf, wieder selbst Handball zu spielen „in einer Halle mit richtigem Equipment und meinem Team. Aber ehrlich gesagt werde ich Südafrika sehr vermissen.“ Deshalb wird sie auch auf jeden Fall wieder hierher kommen. „Weil ich infiziert bin vom Südafrikafieber, von den Menschen, dem Lebensgefühl, dass wir hier in unserer kleinen, geregelten Welt nicht kennen. Ich muss einfach wieder kommen. Nicht für immer – aber immer wieder.“ Denn so unfassbar es auch klingen mag. Swellendam ist jetzt auch ein Stückweit Heimat für Leonie Schweinsteiger, dank der unvergesslichen Erfahrungen, die sie auch ihrer Liebe zum Handball zu verdanken hat.

Quelle: TSV Ismaning / Andreas Schisler
Autor: Handball.de
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