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Der TBV Lemgo und das Projekt “Jugend forscht”

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Niels Pfannenschmidt und sein TeamFoto: Eibner-Pressefoto
06.12.2013 - 19:41 Uhr

Man möge dem deutschen Nachwuchs eine Chance geben! Was Bundestrainer Martin Heuberger und DHB-Manager Heiner Brand fordern, wird beim TBV Lemgo umgesetzt. Die ersten Erfolge sind bereits sichtbar. 

Der TBV Lemgo hat schwierige Zeiten hinter sich. Lange stand man ohne Hauptsponsor da, Etatlücken brachten den Verein an den Rande des Insolvenz, hinzu kam die Strafanzeige gegen die Geschäftsführer. Jahr für Jahr musste der Etat zurückgesetzt werden. Lag dieser 2009/2010 noch bei geschätzten 6,4 Millionen Euro, beträgt dieser jetzt vermutlich noch die Hälfte. Der Meister aus den Jahren 1997 und 2003 hat aus der Not eine Tugend gemacht. “Wir wollen die Jugend integrieren”, stellte zum Saisonbeginn der neue Trainer Niels Pfannenschmidt (39) klar. Neun der 17 Spieler im offiziellen Kader wurden im Jahre 1990 oder später geboren. Die Ansammlung talentierter Nachwuchsspieler wird von wenigen erfahrenen Leistungsträgern geführt. Florian Kehrmann (36), Rolf Hermann (32) und vor allem Spielmacher Benjamin Herth (28) sind dazu zu zählen. Besonders in hitzigen Spielsituationen übernimmt der Neuzugang von Balingen-Weilstetten Verantwortung. “Er strahlt Spielfreude aus und entwickelt vorne eine tolle Spielfähigkeit”, sagt Pfannenschmidt im Gespräch mit HANDBALL.DE. Auch Herth selbst fühlt sich in seiner Führungsrolle wohl: “Es wäre quatsch, in entscheidenden Situationen einem 20-Jährigen den Ball zuzuspielen. Hier muss ich den Kopf hinhalten. Das ist meine Aufgabe.” 

Reifeprüfung in Hamburg erfolgreich abgelegt 

Benjamin HerthZoom
Benjamin HerthFoto: Eibner-Pressefoto

Das Spiel in Hamburg am vergangenen Samstag hat das Potential der jungen Mannschaft aus Lemgo unterstrichen. Die Mannschaft von Niels Pfannenschmidt erkämpfte sich einen wohlverdienten Punkt, hätte mit etwas Glück sogar gewinnen können. Selbst wenn der HSV in Führung ging und die 7.852 Zuschauer ordentlich Lärm machten, verloren die Gäste nie ihr Konzept. Nervosität? Fehlanzeige. “Normalerweise ist so ein Spiel gelaufen, wenn Hamburg in Führung geht. Aber entscheidend war, dass wir weiter mutig nach vorne gespielt und unsere schnelle Mitte durchgezogen haben”, erklärt der Trainer. Es hat eben auch Vorteile, auf junge Spieler zu setzen - zumindest wenn es um die körperlichen Eigenschaften geht. “Die Mannschaft ist fit und wir können so ein hohes Tempo lange gehen”, führt Pfannenschmidt fort. 

Nun wäre es allerdings verkehrt, den TBV Lemgo über den grünen Klee zu loben. Dass das offizielle Saisonziel lautet, man wolle lediglich dem Abstiegskampf fernbleiben, hat seine Gründe. Dabei ist zunächst die Abwehr zu nennen. 473 Gegentore in 15 Spielen sind alles andere als ein Spitzenwert. “Hinten haben wir unsere Probleme. Die Spieler müssen die Abläufe noch besser kennenlernen. Oft werden sie undiszipliniert. Aber das ist bei jungen Spielern ganz normal”, weiß der Trainer. Die Offensive funktioniert besser, ist aber leicht auszurechnen, weil die meisten Tore aus dem Rückraum erzielt werden. Zumal sogar die Rückraumlinken Timm Schneider (25) und Finn Lemke (21) oftmals in die Mitte ziehen. “Wenn das zu oft passiert, können sich die Gegner natürlich darauf einstellen. Wir müssen die Qualität haben, noch mehr die Außen frei zu spielen”, lautet das Fazit von Benjamin Herth. 

Lemke und Pekeler wecken Begehrlichkeiten 

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Finn LemkeFoto: Eibner-Pressefoto

Finn Lemke und Hendrik Pekeler (22) sind gute Beispiele dafür, wie schnell die Entwicklung bei jungen Spielern voranschreiten kann. Pekeler ist trotz seines jungen Alters bereits 9-facher Nationalspieler, Lemke wurde nun für den Kurzlehrgang der Nationalmannschaft vom 2. bis zum 4. Dezember eingeladen. Wenn Lemke seinen Fitneß-Rückstand aufgearbeitet hat, der unter anderem auf ein Pfeiffersches Drüsenfieber von vor einem Jahr zurückzuführen ist und ihn nur rund 30 Minuten auf dem Feld durchhalten lässt, dürfte der linke Rückraumspieler noch einen weiteren Entwicklungsschub machen. “Ich halte ihn auf Sicht für einen der besten Deutschen auf dieser Position”, sagt sein Trainer. “Ich fürchte nur, dass er nicht mehr in Lemgo spielen wird, wenn er einmal so weit ist“, fügt er nach kurzem Überlegen hinzu. 

Die Sorgen sind nicht unbegründet. Die Verträge von Pekeler und Lemke laufen 2015 aus. Vereine mit höheren Etats sollen bereits ihre Fühler ausgestreckt haben. Allzu lange hält sich der Trainer mit diesem Thema nicht auf. Stattdessen verhilft er weiteren Nachwuchsspielern in die Bundesliga. Ausgerechnet vor dem respekteinflößenden Hamburger Publikum ermöglichte er Georg Pöhle sein Erstliga-Debüt. Der erst 19-jährige lieferte in der Abwehr eine ordentliche Partie ab. “Man muss die jungen Spieler einfach aufs Feld lassen und ihnen auch Fehler zugestehen. Dafür bekommt man auch viel von ihnen zurück”, erklärt Pfannenschmidt. Eine Philosophie, die den TBV Lemgo langfristig wieder zu einer Top-Adresse im deutschen Handball machen könnte. 

Autor: Oliver Jensen
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