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Andreas Rudolph (Präsident HSV Hamburg): "Der HSV ist ein Sanierungsfall"

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HSV-Präsident Andreas RudolphFoto: Eibner-Pressefoto
19.02.2014 - 09:00 Uhr

Der HSV steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Präsident Andreas Rudolph bezeichnet seinen Verein als Sanierungsfall. Die Konsequenz: Der Geschäftsführer Christoph Wendt wurde entlassen, zudem werden die auslaufenden Verträge von Marcus Cleverly, Davor Dominikovic, Matthias Flohr, Torsten Jansen, Blazenko Lackovic, Zarko Markovic und Stefan Schröder nicht verlängert. Letzterer bleibt dem Verein immerhin im Bereich Marketing und Vertrieb erhalten. Zudem wurden alle unbefristeten Kontrakte von Geschäftsstellenmitarbeitern gekündigt. HANDBALL.DE fasst alle wichtigen Aussagen des Präsidenten zusammen. 

Andreas Rudolph über… 

… die allgemeine Situation des HSV: “Ich habe vor fast zehn Wochen das Amt des Präsidenten eingenommen. Zuletzt war ich sehr frustriert. Es mussten viele Entscheidungen getroffen werden, auf die ich nicht vorbereitet war. In den letzten Wochen mussten wir sogar in Erwägung ziehen, den HSV Handball vom Spielbetrieb abzumelden. Wir standen im Januar 2005 schon einmal in einer bedrohlichen Lage. Nun ist die Situation noch viel dramatischer, weil wir im Gegensatz zu damals laufende Verträge und Verpflichtungen haben. Der HSV ist ein Sanierungsfall. In der Saison 2010 / 2011 hatte der HSV Handball ein Einnahmen-Budget von über 9,5 Millionen Euro. In der laufenden Saison sind es aktuell nur 7,2 Millionen Euro. Leider wurden die Kosten in diesem Umfang nicht gesenkt.”  

Andreas Rudolph mit Martin SchwalbZoom
Andreas Rudolph mit Martin SchwalbFoto: Eibner-Pressefoto

... den Grund der fehlenden Einnahmen: “Problematisch waren nicht nur die Zuschauerrückgänge, sondern auch fehlende Einnahmen durch Werbepartner und Sponsoren. Leider ist der Handball nicht mehr so attraktiv wie in den Jahren nach der WM 2007 oder den Startjahren unseres Projektes. Nach der Meisterschaft 2011 und dem Champions League Sieg haben wir auf mehr Zuschauerzuspruch und Unterstützung von Sponsoren gehofft. Leider trat das nicht ein. Hinzu kommt, dass vom Vermarkter Kentaro noch ein Betrag uns gegebüber von zwei Millionen Euro aussteht.” 

… seine finanzielle Unterstützung gegenüber dem Verein: “Ich habe Anfang Februar eine Einlage von 500.000 Euro getätigt, damit wir allen Verpflichtungen gegenüber Spieler, Mitarbeiter und dem gesamtem Umfeld erfüllen können. Sollte das notwendig sein, werde ich das auch in den folgenden Monaten dieser Saison tun. Zukünftig wird zudem die gesamte finanzielle Organisation über meinen Tisch laufen.” 

… über die Option Insolvenz: “Das war nie eine Option. Wenn, dann hätten wir das zumindest ordentlich abgewickelt. Schließlich steht auch mein Name unter einigen Verträgen.” 

… den Geschäftsführer: “Wir haben uns einvernehmlich von unserem Geschäftsführer Christoph Wendt getrennt. Natürlich wird hier jemand geopfert, der nicht die alleinige Schuld trägt, aber in einer entsprechenden Position steht. Leider konnte Dierk Schmäscke (HSV Geschäftsführer bis 2011, Anm.d.Red.) nie richtig ersetzt werden. Wir müssen nun eine neue Richtung einschlagen. Sein Nachfolger wird vermutlich nicht aus dem engeren Handball-Umfeld kommen. Ich wüsste dort niemanden, der diese Aufgabe erfüllen könnte. Es wird ein No-Name aus einem anderen Bereich sein.” 

... die Kündigung aller unbefristet angestellten Mitarbeiter: “Es war eine sehr unangenehme Aufgabe. Leider ist es notwendig, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Einige Mitarbeiter werden allerdings einen Anschlussvertrag erhalten. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass der HSV für die Wirtschaft und die Zuschauer in Hamburg wieder attraktiv wird. Daher werden wir die Arbeit in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit forcieren.”

Andreas Rudolph mit Johannes BitterZoom
Andreas Rudolph mit Johannes BitterFoto: Eibner-Pressefoto

… die Arbeit im Verein während seiner Abwesenheit zwischen Juli 2011 und November 2013: “Auch wenn gelegentlich anderes behauptet wird, war ich in dieser Zeit in keine Entscheidung involviert. Leider ist es den Verantwortlichen nicht gelungen, das Unternehmen HSV Handball positiv weiterzuführen.” 

… die Saison 2014/2015: “Keiner der auslaufenden Spielerverträge werden verlängert. Unser Budget wird in der kommenden Saison vermutlich zwischen 7,5 und 8 Millionen Euro liegen. Die Lizenz werden wir erhalten. Das steht außer Frage. Wir werden weiterhin eine erfolgsorientierte Mannschaft aufstellen. Die Ziele werden sich nicht verändern. Ansonsten wäre es nicht möglich, sich in der Metropole Hamburg gegen Sportarten wie Fußball und Eishockey durchzusetzen.” 

… die Spielstätte: “Es ist keine Option, von der O2 World in die kleinere Alsterdorfer Sporthalle umzuziehen. Unsere Dauerkarteninhaber haben einen Sitzplatzanspruch in der O2 World. Die Kosten für die große Arena muss man ohnehin relativieren. Wenn nur der Unterrang besetzt wird, ist das natürlich viel günstiger, als wenn auch der Oberrang geöffnet wird.” 

… die Zukunft des deutschen Handballs: “Ich bin davon überzeugt, dass der Handball ein wichtiger Bestandteil für den deutschen Sport ist. Es ist wichtig, den Handball wirtschaftlich aufrecht zu erhalten. Das betrifft nicht nur uns, sondern ist ein nationales Problem. Die Erfolglosigkeit unserer Nationalmannschaft ist dabei natürlich nicht hilfreich. Eins hat mich sehr enttäuscht: Der HSV wird mit sieben deutschen Spielern Champions League Sieger. Und ein paar Tage später scheidet Deutschland ohne einen einzigen Hamburger Spieler aus der EM-Qualifikation aus.” 

… seine eigene Zukunft: “Ich bin bis zum 30. Juni 2015 Präsident vom HSV. Danach soll Schluss sein. Je mehr es für den Verein nach oben geht, desto sicherer ist, dass ich dann auch wirklich aufhöre. Ich muss zugeben, dass ich nicht geahnt habe, dass meine zweite Präsidentschaft beim HSV so schwierig wird.” 

Autor: Oliver Jensen
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